Die Himmelsmalerin
wischte sich die feuchten Locken aus dem Gesicht. Es roch gut in der Küche, denn gestern war Schlachttag gewesen, und es gab jede Menge frische, selbst gestopfte Wurst. Währenddessen versuchte die rote Katze, von der Metzelsuppe zu naschen, die auf dem Tisch stand. Der kleine Kater, das einzige ihrer Kinder, das sie behalten hatten, sprang hinterher und steckte das Schnäuzchen in den Topf.
»Schlechte Erziehung!« Lena setzte beide vor die Tür.
»Wenn ich die zwei das nächste Mal erwische, kriegen sie was mit dem Stock!«
Sanna und Lena lachten beide, denn sie wussten, dass Martha ein viel zu weiches Herz hatte, um damit Ernst zu machen. Lena sah sich in der Küche um. Beim Wursten hatte sie schon geholfen, die Teller waren alle gespült, und die Räucherwürste bereitete Martha lieber alleine vor. In der Werkstatt war ihre Hilfe auch gerade nicht vonnöten. Sie hatte tatsächlich ein bisschen freie Zeit.
»Du, Martha?«
»Ja, meine Liebe?«
»Könnte ich wohl für eine Weile ins Franziskanerkloster gehen? Ich würd so gern Valentin und Kilian besuchen.«
»Natürlich, geh nur!«, sagte die Köchin.
Lena holte ihren guten blauen Mantel aus ihrer Kammer und legte ihn um die Schultern. Eigentlich war er zu teuer und zu leicht für einen Tag im Spätherbst, aber der alte, der mit dem Fischstand Bekanntschaft gemacht hatte, war nicht mehr zu retten gewesen. Sie zog die Kapuze über ihre roten Haare und trat in den Nieselregen hinaus. Der Umhang war so schön, dass sich manche Esslinger Hausfrau nach Lena umdrehte und sie mit einem Lächeln auf den Lippen grüßte. Lena neigte freundlich den Kopf und grüßte zurück. Ich werde Lionels Frau, dachte sie. Er ist reich und irgendwie von Adel, aber er hat sich für mich entschieden. Da war ein großes Glück in ihr, so hell wie eine geputzte Münze, aber auch eine Spur Unsicherheit. Ich liebe einen Mann, den ich fast nicht kenne, sagte leise zweifelnd eine innere Stimme. Schnell war sie bis zum Kloster gelaufen und hatte an die Pforte geklopft. Der Bruder Pförtner öffnete ihr zerstreut und wies ihr den Weg zur Krankenstation. Bruder Thomas selbst bat sie herein. Ihm hatten die Strapazen der letzten Wochen tiefe Furchen ins Gesicht gezeichnet. Mit einem Kopfnicken deutete er auf das Bett, das nahe der Studierstube am Fenster stand.
»Wahrscheinlich wird er beim Geruch nach alten Büchern wieder wie neu. Es geht ihm jedenfalls besser, deinem Patienten.«
»Meinem …?« Lena wusste, was er meinte. Sie hatte Kilian begleitet, als das Fieber gestiegen war, seine Stirn mit feuchten Tüchern gekühlt und die schreckliche, eiternde Wunde wieder und wieder heiß abgewaschen.
»Ich konnte so wenig tun«, sagte sie leise. »Er wäre mir fast unter den Händen weggestorben.«
»So wie mir. Dass er überlebt, liegt allein an seiner starken Natur und an seinem wieder erwachten Lebenswillen. Und vielleicht auch an Frau Renatas Paste.«
Sie nickte verlegen und setzte sich auf Kilians Bettrand, der sie hellwach aus seinem schmal gewordenen Gesicht anblinzelte.
»Hallo«, sagte er und versuchte ein kleines Lächeln. Verstohlen hielt sie Ausschau nach Roteneck, aber alle anderen Krankenlager waren leer.
»Sie haben ihn heute früh geholt, um ihn in die Haft nach München zu überführen. Bruder Thomas …« Kilians Stimme wurde noch leiser. »Er sagt, das überlebt er sicher nicht. Aber wenn einem droht, dass man ausgebeint, gehängt und gevierteilt wird, ist das vielleicht auch besser so.«
Lena lief es eiskalt über den Rücken. »Er hat uns so viele Schmerzen zugefügt, aber jetzt tut er mir doch leid.«
»Schhh«, machte Kilian. »Er hat dir und Loisl beigebracht, was Angst ist, einfach so, weil es ihm Spaß gemacht hat. Und das ist unverzeihlich.«
Sie nickte und wusste nicht, was sie empfand – wahrscheinlich eine undefinierbare Mischung aus Entsetzen und einer vagen Erleichterung, dass ihr Peiniger fort war. Draußen bahnte sich die Sonne einen Weg durch die Regenwolken, das Licht fiel durch die Fensteröffnung, gefiltert durch das Pergament, das sie verschloss, und beleuchtete den Infirmarius, der sich näherte, um Kilian Tropfen für Tropfen seiner Medizin in einen Zinnlöffel abzumessen.
»Schön schlucken«, sagte er und steckte dem jungen Mann den Löffel in den Mund, der sein Gesicht verzog und sich beschwerte. »Das schmeckt so bitter!«
»So ist das nun einmal«, sagte der Mönch gallig. »Freut Euch lieber, dass Ihr überhaupt noch etwas schmecken
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