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Die Himmelsmalerin

Die Himmelsmalerin

Titel: Die Himmelsmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Rosenberger
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im Profil, die eingefallenen Wangen, seine spitze, schmale Nase, das vorstehende Kinn, die hohe, knochige Stirn. Er sah fast aus, als schliefe er. Doch dann fiel ihr der Schnitt an seiner Kehle auf, die blutige Spur, die sich quer über seinen Hals zog, als hätte ihm jemand ein Halsband aus dunklen Rubinen umgelegt. Ihre Beine gaben nach, sie stolperte gegen Lionel, der sie geistesgegenwärtig am Arm fasste und zwischen die Arkaden ins Langhaus der Kirche zog.
    »Lasst Bruder Thomas seine Arbeit tun«, sagte er eindringlich. »Wir stören da drinnen nur.« Kalter Schweiß trat auf Lenas Stirn. Die Luft in der Kirche war von der Hitze der vergangenen Tage stickig und schwül. Ein Priester feierte an einem der Seitenaltäre die Liturgie und schwenkte ein muffig riechendes Weihrauchfass, das ihre Übelkeit verstärkte.
    »Versucht, Euch zu beherrschen«, sagte Lionel eindringlich.
    Die Minuten erschienen Lena zwar wie Stunden, aber schließlich kam Bruder Thomas doch aus der Sakristei. Nachdenklich runzelte er die Stirn und ging ihnen voran an die frische Luft, die Lena gierig einsog. Nur langsam verschwand das Gefühl, gefangen zu sein.
    »Nun«, sagte der Arzt schließlich und musterte sie nachdenklich. »Ihr könntet recht haben.«
    Triumphierend richtete Lena ihre Augen auf Lionel, der Valentin einen Mord locker zugetraut hätte.
    »Warum?«, fragte der.
    »Ihr habt sicher gesehen, woran Bruder Ulrich gestorben ist.«
    Lena nickte, während ihr ein eiskalter Schauder über den Rücken fuhr. »Man hat ihm die Kehle durchgeschnitten.«
    »Dem Opfer den Atem abzuschneiden, ist keine sehr erfreuliche, aber immer eine sehr wirkungsvolle Mordmethode. Zudem erstickt es an seinem eigenen Blut, das reichlich geflossen sein müsste.«
    Lenas Magen machte einen unangenehmen Satz an ihre Kehle. »Aber wer tut so etwas?«
    »Ein Fachmann.« Der Franziskaner wandte sich Lionel zu. »Der Mörder des Predigers Ulrich von Teck versteht sein Geschäft und den Umgang mit dem Messer. Er hat sicher nicht zum ersten Mal auf diese Weise getötet. Und er hat das Opfer mit Absicht überwältigt, um ihm das anzutun. Zielgerichtet. Könnten diese Erkenntnisse auf den jungen Valentin zutreffen, Jungfer Lena?«
    Sprachlos schüttelte sie den Kopf.
    »Er könnte den Dominikaner vielleicht im Affekt getötet haben, aber dann hätte er das Messer anders geführt, und mehrmals auf seinen Torso eingestochen. Da das nicht der Fall ist, ist er es mit großer Wahrscheinlichkeit nicht gewesen«.
    Lena atmete tief durch, ein Stein fiel ihr vom Herzen. »Dann müssen wir das so schnell wie möglich beweisen.«
    »Dafür ist es zu spät.« In der Seitentür zur Kirche stand Kilian. Hinter ihm lag das Langhaus mit seinen klaren Arkaden im Halbdunkeln, die Welt der Denker und Theologen, zu der er nun gehörte. In seinen Augen stand ein merkwürdiger Ausdruck. Fast hätte Lena ihn für Verzweiflung gehalten.
    »Valentin war es nicht, das hörst du doch«, rief Lena gereizt, aber er schüttelte nur den Kopf.
    Immer taten alle so, als sei sie schwer von Begriff!
    Zu allem Überfluss wandte sich der Novize jetzt ausschließlich an die Männer. Voll hilflosem Zorn stampfte sie mit dem Fuß auf.
    »Das Kirchengericht hat sich auf Valentin als Mörder versteift. Und morgen früh treffen die Gefolgsleute des Herzogs von Teck ein und wollen Blut sehen, denn Pater Ulrich war ein Onkel ihres Lehnsherrn.«
    Bruder Thomas pfiff leise durch die Zähne. So mancher Bürgerliche war nach dem Ort benannt, in dem er geboren war. Aber manchmal sagte so ein Name eben doch mehr aus und wies auf ein altehrwürdiges Adelsgeschlecht hin. Als Verwandtem des Herzogs stand Ulrich zu, dass man sich bemühte, den Mord an ihm aufzuklären. Das machte Valentins Lage nicht gerade besser.
    »Dann muss man Valentins Unschuld eben erst recht beweisen«, sagte Lena trotzig.

11
    Tief innen hatte das Feuer einen blauen Kern, doch rund herum war es so weiß wie das Nichts. Sie standen in der kleinen Esslinger Glasbläserei auf dem Schurwald, die seit knapp fünfzig Jahren in Betrieb war. Hier, mitten im Wald, fand sich genügend Holz für die Feuer, die sie brauchten, um die Gläser für die Esslinger Kirchen zu blasen. Und es war weit genug weg, um die Brandgefahr in der Stadt nicht zu erhöhen.
    Die Grundstoffe, Quarzsand und Pottasche, wurden mühsam auf die Höhen weit über dem Neckartal geschafft. Lionel hätte seine Gläser auch in den großen Glashütten in Uhingen und Adelberg

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