Die Himmelsmalerin
Strafe zu übergeben.«
»Aber …« Lena wollte ihm widersprechen, doch er ließ sie nicht ausreden. Seine blauen Augen waren plötzlich kalt wie Eis.
»Wisst Ihr, wo sich Valentin Murner aufhält?«
Sie schüttelte den Kopf. »Der Val…«
»Valentin Murner ist am Abend vor dem Tod des Dominikaners mit seinem Meister in meinem Haus gewesen«, unterbrach sie Heinrich Luginsland. »Doch nachdem das Programm für das Chorfenster in der Franziskanerkirche besprochen war, hat er es mit den anderen Gästen verlassen. Was dann geschah, kann Euch meine Tochter auch nicht sagen.«
Lena starrte auf ihre Hände, die sie im Schoß gefaltet hatte. Dann schaute sie auf, geradewegs in die kühlen blauen Augen des Ritters. »Wer Pater Ulrich von Teck ermordet hat, weiß ich nicht. Aber Valentin kann es nicht gewesen sein.«
Seine Augenbrauen hoben sich. Er schob seinen Stuhl zurück und legte seine Hände über dem Bauch zusammen. »Nun, Jungfer Lena, warum seid Ihr Euch dessen so gewiss?«
Lena spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. »Weil ich den Valentin fast so lange kenne wie mich selbst.«
»Lena!« Ihr Vater legte seine Hand auf ihre.
»Ach tatsächlich.« Neugierig beugte Hardenberg sich vor. »Und wie war Euer Verhältnis zu ihm?«
»Herr Ritter von Hardenberg …«, warf Luginsland ein, doch der Fremde bedeutete ihm zu schweigen.
»Valentin und ich, wir waren Freunde.« Lena spürte, wie ihr Gesicht noch heißer wurde. »Wir haben als Kinder viel Zeit zusammen verbracht.«
»Seid ihr nicht vielleicht auf Dauer – nun wie soll ich es ausdrücken – etwas mehr füreinander geworden?«
Heinrich erhob sich und stützte sich schwer auf den Tisch. »Was unterstellt Ihr meiner Tochter da? Sie ist mit dem ehrenwerten Glasmalermeister Marx Anstetter aus Tübingen verlobt.«
Lena verstand ihren Vater. Wie schnell konnte ihr guter Ruf in Mitleidenschaft gezogen werden und ihre Mitgift ins Unermessliche steigen. Schweiß trat auf seine Stirn. Schwer atmend drückte er die Hand auf seine linke Seite und ließ sich wieder auf den Stuhl fallen.
Sie goss ihm etwas Wasser ein und schob den Becher über den Tisch. »Ich kann für mich selber sprechen.«
»Das bezweifle ich nicht«, sagte der Ritter spöttisch.
»Wenn Ihr meint, dass ich Valentins Buhle war, dann irrt Ihr Euch gewaltig.«
Jetzt wurde der Ritter knallrot, fast lila bei seiner hellen Hautfarbe. Na bitte!
»Wir waren Freunde und Vertraute«, fuhr Lena fort. »Aber in der letzten Zeit haben wir uns nicht mehr so oft gesehen.«
Das Gesicht des Fremden nahm langsam wieder seine normale blasse Färbung an. »Weil Ihr heiraten werdet.«
Lena nickte, und dann fasste sie einen schnellen Entschluss. »An dem Abend vor einer Woche hat Valentin mich aber gefragt, ob ich mit ihm die Stadt verlassen will.«
Ihr Vater starrte sie mit großen Augen an wie einen Geist. Ach was soll’s, dachte Lena. Die Wahrheit würde so oder so ans Licht kommen. »Ich habe aber nein gesagt. Dann ist er gegangen.«
Nachdenklich ruhten die blauen Augen des fremden Ritters auf ihr. In ihm arbeitete es. »Ihr habt ihn also abgewiesen. Er war aufgewühlt, man könnte sogar sagen, ziemlich verzweifelt.«
»Wahrscheinlich.«
»Und nehmen wir mal an, er ist ziellos durch die Stadt gestreift und dabei zufällig dem Dominikaner begegnet. Warum kann er ihn dann nicht im Affekt erschlagen haben?«
Sie schüttelte den Kopf und sah dem fremden Ritter dabei fest in die Augen. »Warum sollte er das tun? Der Valentin bringt niemanden um. Und schon gar nicht ohne Grund. Das meint auch Bruder Thomas, der Infirmarius der Franziskaner. Er traut dem Valentin nicht zu, dass er jemandem so sauber die Kehle durchschneidet, wie man es bei Pater Ulrich getan hat.«
Der Ritter erhob sich und zog seinen Schwertgurt gerade.
»So«, sagte er. »Das meint Ihr also. Man hat ihn aber bei der Leiche gesehen. Also ist er der erste Verdächtige. Vielleicht hatte er einen Grund, den wir nur noch nicht kennen, um die Sache, nun ja, fachmännisch anzugehen.«
Er verbeugte sich fast ehrerbietig vor ihr. »Jungfer Magdalena, Meister Luginsland.« Dem Vater galt eine verständnisvolle Neigung des Kopfes. »Töchter … Es kostet Schweiß und Nerven, bis man sie als Jungfrauen unter die Haube gebracht hat. Zum Glück ist meine erst drei Jahre alt.«
Heinrich begleitete den Fremden in den Hof, und Lena blieb allein in der Stube zurück. Der Schweiß auf ihrem Rücken war plötzlich kalt. Wo steckte Valentin
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