Die Himmelsmalerin
bloß? Klar, er hatte sich mitten in der Nacht in den Gassen herumgetrieben. Aber der Dominikaner auch. Gehörte der nicht um diese Zeit in seine Zelle? Ganz plötzlich fiel es Lena wie Schuppen von den Augen. Es gab ein Motiv für den Mord, doch keins für Valentin als den Mörder.
13
»Ich muss den Kilian sprechen.«
Der alte Bruder Pförtner des Dominikanerklosters beugte sich vor und legte die rechte Hand an sein Ohr. »Was?«
»Den Novizen Kilian. Den Schulmeister«, fügte sie ungeduldig hinzu.
Der Alte musterte sie vom Kopf, auf dem ihre unbändigen Haare sich inzwischen mit dem Tuch zu einem heillosen Durcheinander verknotet hatten, bis zu ihren Füßen, die in Holzpantinen steckten. »So!«
»Ja, unbedingt, bitte!« Valentin musste gefunden und seine Unschuld bewiesen werden. »Ich muss ihn etwas fragen.«
Die Sache war dringend und duldete keinen Aufschub. Lenas Augen füllten sich mit Tränen. »Bitte!«
»Wenn das so ist.« Unwillig erhob sich der Dominikaner und schlurfte zum Eingang der Konventsgebäude, die Lena nicht betreten durfte. Es dauerte eine Ewigkeit, aber schließlich kam der Alte mit Kilian im Schlepptau zurück. Als sie die steile Falte zwischen seinen Augenbrauen sah, wäre sie fast umgekehrt. Aber sie durfte sich von seiner Missbilligung nicht aufhalten lassen. Dazu war ihr Anliegen zu wichtig.
»Was willst du?«, fragte ihr alter Spielgefährte und sah sich nach allen Richtungen um. »Was meinst du, was sie mit mir machen, wenn sie mich mit dir hier draußen sehen?«
»Ich muss dich unbedingt sprechen«, drängte sie. »Es geht um Valentin.«
Kilian schaute sie einen Moment lang schweigend an, dann presste er die Lippen fest zusammen und ging ihr voraus in den Schatten der Kirche. Nahe am Chor gab es keinen Eingang, so dass sie ziemlich ungestört waren. Im Hintergrund lagen die Weinberge im goldenen Licht der Abendsonne.
»Weißt du, wo er steckt?«, fragte er sie kurz angebunden.
Lena schüttelte traurig den Kopf. Das Tuch löste sich endgültig und glitt ihr über die Schultern auf den Boden. Sie bückte sich, hob es auf und schüttelte den Staub aus.
»Also Lena«, begann er entrüstet. »Wenn du meinst, dass ich etwas von ihm gehört habe, dann irrst du dich aber gewaltig. Ich kriege hier kaum was mit von der Außenwelt, außer das, was mir die Bengels erzählen.«
Eine Gruppe Jakobspilger ritt in den Hof des Spitals ein, saß ab und übergab ihre Pferde an die Knechte der Augustinerbruderschaft, die die Spitalsherberge betrieb. Kilian drückte sich tiefer in die Nische zwischen Wand und Fenster.
»Ich will dich nicht nach Valentin fragen, sondern nach Pater Ulrich.«
Völlig perplex zog er die Augenbrauen hoch. »Was fällt dir ein? Pater Ulrich war nicht irgendwer. Er war einer der wichtigsten Bußprediger unseres Ordens.« Ganz kurz fasste er sie am Arm und ließ sie dann so plötzlich los, als hätte er sich verbrannt.
»Gerade deshalb. Kilian, du bist doch klug. Streng deinen Kopf an!«
»Das tue ich schon die ganze Zeit, ob du es glaubst oder nicht. Aber das Ganze ergibt keinen Sinn.«
»Nein, denn Valentin war es nicht. Aber ich frage mich eins: Warum ist Pater Ulrich genau wie Valentin mitten in der Nacht in der Stadt herumgestreunt?«
Kilian wurde blass. »Keine Ahnung. Darüber habe ich mir auch schon Gedanken gemacht.«
Sie zog ihn an die Sandsteinwand heran. Noch gab sie die Wärme der Sonne ab. Es roch nach heißem Staub und einem Hundehaufen, um den Kilian einen großen Bogen machte.
»Pass auf. Ich frage dich jetzt etwas, und das wird dir sicher nicht gefallen.« Sie schaute ihm offen ins Gesicht. Einen Holzschuh streifte sie gedankenverloren ab, ihr Fuß, heiß und verschwitzt, glitt an ihrer Wade hoch und runter. Kilian schluckte.
»Nur zu«, sagte er heiser.
»Am Brunnen, da erzählt man sich, dass Pater Ulrich sich mit dem Prior gestritten hat.«
Kilian zog seine Brauen unwillig zusammen. »Weibergeschwätz.«
»Stimmt es oder stimmt es nicht?«
Er zögerte einen Moment zu lange.
»Also ist es wahr. Es ging um Wein, sagte Griet. Die kennst du doch noch. Die Tochter des Schuhmachers. Ihr trinkt zu viel, meinte Ulrich.«
Jetzt nickte er, obwohl er eigentlich nicht wollte. Lena registrierte es und fuhr zuletzt ihr schwerstes Geschütz auf. »Und es ging noch um etwas anderes.« Sie holte tief Luft und stieß die Worte dann so schnell hervor, dass sie heraus waren, bevor sie es bereuen konnte. »Pater Ulrich warf dem Prior vor, dass seine
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