Die Himmelsmalerin
Renatas Augen. »O Lena, dabei hätte ich so gerne Mäuschen gespielt.«
»Besser nicht«, sagte Lena düster. »Ich war schrecklich dumm. Die Huren – Berthe und Hanna – sie haben mir etwas in den Wein schütten lassen, das mich stockbesoffen gemacht hat. Ich hab mich unmöglich benommen. Und jetzt zerreißen sich alle das Maul über mich!«
Renata machte eine wegwerfende Bewegung mit der Hand. »Die Lästermäuler hören auch wieder auf. Übrigens ist uns unterwegs Rosi begegnet und lässt dir ausrichten, dass ihr alles, was geschehen ist, ganz arg leidtut.«
Lena nickte. An dem Vorfall in der Spelunke trug Rosi keine Schuld. »Wenn mich Lionel nicht gerettet hätte …«
»Ja, zum Glück ist er im richtigen Moment aufgetaucht. Aber ich denke, mit Berthe und Hanna werde ich ein Hühnchen rupfen, wenn sie mir über den Weg laufen. Hin und wieder kommen sie in die Apotheke, weißt du …«
Lena schlug mit der Hand auf den Bettrand. »Ich habe mich lächerlich gemacht und dabei noch nicht mal was erfahren, außer, dass die Dominikaner wie alle Männer sind. Und ich weiß noch immer nicht, was Pater Ulrich nachts in der Stadt getrieben hat.«
Renata schwieg einen Moment. »Lass es lieber!«, sagte sie dann nachdenklich. »Es ist sicher gefährlich, dem wahren Mörder hinterherzuspionieren.«
In diesem Moment klopfte es an die Tür.
»Lena!« Martha klang aufgeregt. »Der Hardenberger sitzt unten in der Küche, schlägt sich den Bauch voll und will dich unbedingt sprechen.«
Erschrocken schaute Lena ihre Freundin an.
»Wir kommen gleich.«
»Aber ich kann doch nicht so …«
»Doch, du kannst«, sagte Renata. »Was du getan hast, war ehrenhaft, und du brauchst dich nicht vor dem Gefolgsmann des Herzogs zu verstecken.«
»Aber wie sehe ich denn aus?« Lena raufte sich die strähnigen, zerwühlten Haare.
»Lass das meine Sorge sein! Steh mal auf!« Renata zog ihr das zerrissene Kleid über den Kopf, das noch immer nach Erbrochenem roch, und befreite sie schließlich von ihrer ganzen Kleidung. Dann goss sie jede Menge frisches Wasser über Lena und kämmte sie mit dem grobzahnigen, beinernen Kamm, bis ihre Haare wieder glänzten.
»Na, wie fühlst du dich?«, fragte sie, als sie Lena in ein frisches Leinenkleid gesteckt hatte.
»Fast wieder wie ein Mensch.«
»Irgendwann wirst du über all das lachen, glaub mir.«
Lena zuckte die Schultern. »Nicht, solange meine Nase doppelt so dick ist.«
Als sie in die Küche kamen, sprang Martha, die gerade ein Huhn fürs Abendessen rupfte, auf und drückte Lena an ihren üppigen Busen. Dann hielt sie sie ein gutes Stück von sich weg und musterte sie.
»Wenn sich der Anstetter noch einmal an diesen Tisch setzt, dann spuck ich ihm in die Suppe, ich schwör’s«, sagte sie dann. »Oder ich schiff hinein!«, setzte sie fast unhörbar hinzu.
Lena konnte fast schon wieder lachen. Sie setzte die rote Katze, die schnurrend um ihre Beine strich, in den Korb zu ihren Kindern und goss etwas Milch in ein Schälchen. Wenigstens lenkte ihr zerschlagenes Gesicht von ihrer eigenen Schandtat ab.
Martha setzte sich an den Tisch und rupfte das Huhn mit so viel Schwung zu Ende, dass die Federn bis in die Ecken stoben.
Der Ritter von Hardenberg saß in der Stube am großen Esstisch und aß einen Eierpfannkuchen, den ihm Martha mit gekochten Früchten serviert hatte. Neben ihm hockte Franz und verputzte ein mindestens ebenso großes Exemplar. Das rote Beerenmus malte dunkle Striche auf seine Backen.
»Mama!«, rief er mit vollem Mund, als er Renata erblickte. Er sprang auf ihren Arm, wo er wie eine Klette hängen blieb.
»Aber nicht an mir abputzen«, warnte ihn Renata.
Der Ritter von Hardenberg lachte, stand auf und verbeugte sich so ehrerbietig vor den Frauen, als hätte er noch nichts vom gestrigen Abend gehört. Ohne das spöttische Funkeln in seinen Augen hätte Lena ihm sein Gehabe beinahe abgenommen.
»Jungfer Magdalena«, sagte er und zog die Augenbrauen hoch, als sein Blick auf Renata fiel.
»Renata Appenteker, Apothekerin«, stellte diese sich selbstbewusst vor. »Martha, kannst du den Quälgeist hier noch ein bisschen übernehmen?«
»Aber sicher.« Martha nahm ihr den Kleinen ab und verließ mit ihm die Stube.
Am großen Esstisch goss Renata drei Zinnbecher voll mit Luginslands gutem Weißen. Lena nippte daran und merkte plötzlich, wie hungrig sie war. Ihr Magen knurrte so laut, dass sie sich vornahm, so bald wie möglich auch ein paar Eier für einen
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