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Die Himmelsmalerin

Die Himmelsmalerin

Titel: Die Himmelsmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Rosenberger
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würde. Er schauderte. Fast gaben seine Knie unter ihm nach.
    Jetzt erklangen in der Ferne weitere lateinische Choräle. Prior Balduin verdrehte die Augen zum Himmel. In einer langen Prozession näherten sich die Franziskaner. Vorneweg schritt Prior Johannes, dicht gefolgt von diesem eigensinnigen Infirmarius, Bruder Thomas. Zweifellos hatten sie einen ebenso guten Sinn für einen großen Auftritt wie ihre schwarzweiße Konkurrenz. Die Minderbrüder betraten die Brücke und stellten sich zwischen den Dominikanern auf. Ein Novize zündete die Kerzen wieder an, die der Wind ausgeblasen hatte – doch es war vergeblich, die nächste Böe machte ihnen den Garaus. Aus einem Weihwassergefäß, das ein Mitbruder eifrig schwang, gingen einige eisige Tropfen auf Valentin nieder, die er im stetig zunehmenden Regen kaum wahrnahm. Die Lippen des Priors bewegten sich im Gebet.
    »Hast du gebeichtet?«, raunte ihm Thomas zu. Valentin schüttelte den Kopf. Trotzdem zeichnete ihm der Franziskaner ein Kreuz auf die Stirn.
    »Gott vergibt den Liebenden«, sagte er schlicht.
    An seinen Fingern haftete ein duftendes Öl. Valentin begann zu zittern, als ihm klar wurde, dass es sich dabei um Chrysam handeln musste, das Öl, das die Priester sowohl bei der Taufe als auch bei der Spendung der Sterbesakramente einsetzten. Ich will nicht sterben, dachte er unwillkürlich.
    Die Reihen der Zuschauer füllten sich weiter. Als er sich umdrehte, sah er einige Frauen in der Nähe der Mönche stehen. Sonst waren die Vornehmeren unter ihnen so bunt gekleidet wie eine Schar Vögel. Doch heute hatten sie alle ihre langen, dunklen Mäntel herausgekramt und versteckten sich darunter. Als seine Augen über sie glitten, streifte eine von ihnen ihre Kapuze ab, und rotblondes Haar leuchtete gegen den grauen Himmel. Lena! Sie war sehr blass, aber gefasst. Neben ihr stand seine Mutter Ruth in der Tracht der Augustinerlaienschwestern, die Augen vom Weinen gerötet. Eine weitere Frau, Renata, hatte den Arm um sie gelegt. Es wäre schön, am Leben zu bleiben, dachte er, nur um Lena noch einmal in die Arme schließen zu können, der Apothekerin zu danken und noch ein paar Worte mit seiner Mutter zu wechseln, von der er geglaubt hatte, sie würde sich nur noch für Gott interessieren.
    Aber da stießen sie ihn schon weiter vorwärts. Er stolperte zu den Rittern des Herzogs, die ihm die Kleider vom Leibe reißen wollten.
    »Nein«, rief Kilian. »Nehmt ihm vor so vielen Leuten nicht seine Würde. Und außerdem ist es kalt.«
    »Also gut, lasst ihm sein Hemd und die Beinlinge«, gab Balduin nach.
    Bevor sich Valentin wundern konnte, dass Balduin auf seinen jungen Novizen hörte, drückte ihn der Recke Josef auf den Boden des Uferwegs. Stefan von Hardenberg selbst band ihm die Handgelenke mit den Fußknöcheln zusammen und richtete ihn auf, bis er sich in einer hockenden Stellung befand. So würde er also als Brathuhn jämmerlich ersaufen, dachte Valentin resigniert. Und dann schallte die Stimme des Dominikanerpriors über die Menschenmenge hinweg und übertönte sogar das Rauschen der Wellen.
    »Die Lebensader der Stadt ist der Fluss«, rief er. »Er bringt Menschen und Waren nach Esslingen. Er tat das schon, als wir noch nicht geboren waren, und wird es tun, wenn wir nicht mehr sind. Doch wer lenkt die Wasserfluten?« Ein Seufzer ging durch die Menge. »Gott selbst ist es. Er bestimmt den Lauf der Jahreszeiten, lässt Stürme und Hochwasserfluten über die Stadt hinwegbrausen, entscheidet, ob Kriege sie verheeren oder sie im Frieden erblüht. Unser Mitbruder, Pater Ulrich, ist einem feigen Mordanschlag zum Opfer gefallen. Jetzt übergeben wir den Steinmetz, der dieses Verbrechens beschuldigt wird, den Wassermassen, damit der Schöpfer selbst über seine Schuld oder Unschuld entscheidet.«
    Unbeirrt predigte der Prior dem Wind und dem Regen, aber in Valentins Rücken sprach jemand anders, jemand, der ungesehen hinter ihm kauerte, beharrlich und leise. Und er hörte ihm zu.
    »Kannst du schwimmen?«, flüsterte die Stimme.
    Er nickte. Natürlich konnte er das, sicher nicht gut, aber so, wie man es eben lernte, wenn man sich mit den anderen Jungs am Neckarufer herumtrieb. An heißen Tagen waren sie auf die Pfeiler der Brücke geklettert und ins Wasser gesprungen. Wer da nicht schwimmen oder wenigstens zum Ufer paddeln konnte wie ein Hund, der ertrank.
    »Du darfst es auf keinen Fall tun, auch wenn sich die Fesseln lösen. Hörst du?«
    Valentin runzelte die Stirn,

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