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Die Himmelsmalerin

Die Himmelsmalerin

Titel: Die Himmelsmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Rosenberger
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dabei eine Reihe dunkel angelaufener Zahnstummel sehen ließ. Sogar der Hardenbeuger musste sich auf die Zehen stellen, um ihm auf die Schulter zu klopfen.
    »Merk dir das, Valentin«, sagte er gut gelaunt. »Mit dem Josef legt man sich nicht an, auch wenn er nicht so viel im Kopf hat wie du und ich.«
    Eine halbe Stunde später waren sie auf dem Weg zurück in die Stadt. Valentin, dessen Hände noch immer gefesselt waren, stolperte hinter den Bewaffneten her, die ihn nach Lust und Laune zwischen sich herumschubsten. Die Mönche, Lena und Lionel folgten der Gruppe in Begleitung des Hardenbergers. Renata blieb in der Tür ihrer Kate zurück, den kleinen Franz auf dem Arm.
    Kaum waren sie durchs Mettinger Tor getreten, nahmen die Stadtbüttel Valentin zwischen sich. In Windeseile verbreitete sich das Gerücht, dass der entlaufene Meuchelmörder Valentin Murner endlich gefasst worden war. Die Leute liefen zusammen – Männer, Frauen, Kinder. Was nur Augen hatte, begaffte den Verbrecher, der für den Tod des Predigers verantwortlich war. Doch dabei blieb es nicht. Faule Obstschalen, ein Kohlkopf, eine tote Maus – die Leute fanden, dass er eine ideale Zielscheibe für ihre Abfälle abgab, und bewarfen ihn, bis der Hardenberger ihnen in Josefs Begleitung klarmachte, was er davon hielt. Mitten zwischen dem neugierigen Volk stand Meister Heinrich Parler wie ein Fels in der Brandung und winkte Valentin zu. Irgendwie richtete ihn das auf. Bei dem Mummenschanz, der jetzt begann, würde er jeden Freund brauchen.
    Das Dominikanerkloster mit seiner schlichten Kirche lag im blauen Abendlicht an der Stadtmauer. Der Dachreiter stach wie ein schwarzer Finger in den klaren Himmel, an dem einige Sterne aufleuchteten. Fast war Valentin erleichtert, als er endlich an der Pforte angelangt war. Ein letzter Blick zurück zu Lena, die verloren und traurig zwischen dem Burgunder und den beiden Mönchen stand. Dann öffnete sich die Tür, und ein Arm, der in einer weißen Kutte steckte, zog ihn ins Innere des Konvents.
    »Na endlich«, flüsterte Kilian.

19
    Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Zuerst wussten es die Waschfrauen am Kesselwasen, dann die Torwächter und später die Bauern, die durch die Tore zum Markt strebten. Von hier aus breitete sie sich mit dem Wind in ganz Esslingen aus, erreichte die Bürgerhäuser und die Wohnungen der Tagelöhner, die Werkstätten der Handwerker und die Verstecke der Gassenjungen. Schließlich kam sie sogar im Rathaus an, wo Bürgermeister Marquard Kirchhof gerade zähneknirschend den Schriftwechsel mit dem Abt des Klosters Kaisheim beiseitelegte, in dem es um die Nutzungsrechte am Esslinger Burgweinberg ging.
    Gott selbst würde über Valentin Murner das Urteil sprechen.
    Gut für ihn, sagten die Marktfrauen und verstanden nicht, dass man den Mörder nicht gleich aufknüpfte und seinen Körper den Krähen preisgab. Der Bürgermeister raffte seine Pergamente zusammen und verpackte das Stadtsiegel in eine mit blauem Samt ausgeschlagene Schatulle.
    Ein Gottesurteil bedeutete, dass dem Verdächtigen eine Chance blieb. Sie hätten den Delinquenten auch gleich in den Gießübel werfen können, das Wasserverlies nahe dem Wolfstor, in dem man Diebe und andere Verbrecher ertränkte. Kirchhofs Neffe Kilian hatte sich jedoch beredt für seinen Freund eingesetzt und ihm erklärt, dass die Schuld des Jungen, den der Bürgermeister seit seiner Kindheit kannte, alles andere als erwiesen war. Genau das mache die Wasserprobe sinnvoll, erklärte der kluge Kilian, auf den sein Onkel über die Maßen stolz war. Denn das feuchte Element stieß den Schuldigen ab und nahm den Unschuldigen an, der in seinen Fluten versank. Wenn man ihn früh genug herauszog, ertrank er nicht einmal. Meistens wählte man die Wasserprobe, um Hexen und Zauberer zu entlarven. An einem Mordverdächtigen hatte man sie in Esslingen noch nicht ausprobiert, aber wer wusste schon, warum der Junge den Prediger ermordet hatte? Vielleicht steckten ja auch hier die Machenschaften des Teufels dahinter. Warum bloß hielt dann Prior Johannes seine schützende Hand über ihn? Man erzählte sich, dass der Franziskaner das Gottesurteil erwirkt hatte, gegen den Widerstand seines alten Rivalen Balduin von den Dominikanern, dem der Verdächtige vor drei Tagen übergeben worden war. Vielleicht wurden hier sogar alte Rechnungen beglichen. Was auch immer dahintersteckte. Niemand wollte sich das Schauspiel entgehen lassen. Meister Marquard drapierte

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