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Die Himmelsmalerin

Die Himmelsmalerin

Titel: Die Himmelsmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Rosenberger
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einmal überführen. Und da suchst du wieder auf eigene Faust den Mörder? Vielleicht solltest du es noch in anderen Schenken versuchen.« Das kam spöttischer heraus, als er es eigentlich geplant hatte. Die Gewitteraugen wurden noch eine Spur dunkler.
    »Entschuldigung!«, murmelte er.
    »Schon gut! Glaub ja nicht, dass mir das Spaß macht. Aber anscheinend kümmert sich hier nur eine um die Wahrheit, und das bin ich.«
    Widerwillig nickte er. Mut hatte Lena genug bewiesen.
    »Also, schieß los. Ich habe nicht viel Zeit.« Die Studierzeit, in der er an seinem Kommentar zu Augustinus’ Spätwerk »De civitate dei« schreiben durfte, verging immer viel zu schnell.
    »Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll.«
    Er wunderte sich, denn normalerweise purzelten ihr die Worte aus dem Mund, bevor sie darüber nachdenken konnte.
    »Es hat mit Prior Balduin zu tun.«
    Alles Blut wich aus seinem Gesicht. Kilian spürte, wie seine Fingerspitzen taub und seine Knie weich wurden.
    »Lena.« Er zog sie am Arm zur Seite. »Lass das, was du fragen willst, nicht über deine Lippen kommen, bitte. Du stocherst in einem Vipernnest.« Beschwörend sah er sie an. Sein Kartenhaus würde in sich zusammenfallen, wenn es ans Licht käme. Und er selbst würde sich in Asche auflösen und im Abendwind verwehen.
    »Aber …«
    »Kein Wort mehr, hörst du!«
    Lena drehte sich um und ging.

22
    Irgendwann hatten sie sich aus den Augen verloren, Kilian, Valentin und Lena. Das Band der Freundschaft, das sie über ihre Kindheit gerettet hatte, war für immer zerrissen. Alle drei waren sie ins Unglück geraten, dachte Lena, als sie über den Marktplatz nach Hause ging. Valentin, dem der Prozess im Nacken saß, Kilian, der nur noch ein blasses Gespenst seiner selbst war, und sie selbst, der ein Leben an der Seite Marx Anstetters bevorstand. Durch den Tod des Dominikaners hatte sich ihr Leben zugespitzt. Warum nur hatte sie das Gefühl, dass sie den Mörder finden musste, damit alles wieder in Ordnung kam?
    Es war ein blauer Herbsttag rund um Michaeli, ein Tag, an dem sich die Menschen mit vollen Börsen zwischen den Marktständen drängten und ihre Vorratskammern füllten. Die Tische und Buden quollen über von den reifen Früchten der Felder und Weinberge. Zwei Tagelöhner zogen einen Handkarren voll hellgrüner Trauben in Richtung des Fürstenfelder Hofs.
    »Aus dem Weg!«, schrien sie. »Das ist das Eigentum des Königs.«
    Lena wusste, dass Ludwig der Bayer den Neckarwein schätzte, der mehrmals im Jahr in großen Wagenkolonnen in Richtung seines Hausklosters transportiert wurde. Auf dem Rückweg nutzte man die Gelegenheit und die leeren Ochsenkarren und kaufte in Reichenhall in großem Stil Salz ein. Von dem überladenen Traubenkarren tropfte der Saft süß und vergoren auf den Boden und zog einen Schwarm goldschwarzgestreifter Wespen an. Die Stadt vibrierte vor Geschäftigkeit. Auch in Luginslands Weinberg würde die Lese in den nächsten Tagen beginnen. Aber ihr Vater war noch immer krank, wenn es ihm auch durch die Medizin von Bruder Thomas etwas besserging. Eigentlich hatte sie weder die Zeit, hier über den Markt zu bummeln, noch dazu, den Mörder des Dominikaners zu suchen. Sie musste die Lese organisieren, den Altgesellen und die Lehrbuben einplanen, zwei Tagelöhner anwerben. Vielleicht hatten Rosis Brüder ja Zeit.
    Und Lionel war noch immer nicht zurückgekehrt. Vielleicht kam er ja nie wieder nach Esslingen, und die Fertigstellung der schönen Fenster mit den weißen, durchsichtigen Glasfragmenten blieb an ihr hängen. Dann würden Maria und die Apostel Haare und Heiligenscheine aus Klarglas haben. Plötzlich ging ihr auf, dass Lionel genauso war wie seine Fenster – ein wunderbarer Mensch, bei dem sich plötzlich, wenn man es am wenigsten erwartete, rätselhafte blinde Flecken auftaten.
    Ziellos schlenderte sie weiter. Dieser Gang über den Markt erschien ihr plötzlich kostbar, eine gestohlene halbe Stunde, in der sie sich vor der Verantwortung drücken konnte. Verstohlen sah sie sich um, zog das Schultertuch enger und sog den Geruch von Holzfeuern ein, der zwischen den Häusern hing und davon kündete, dass der Sommer endgültig zu Ende war.
    Ein Bauer von den Fildern saß hinter einem Berg hellgrüner, glatt glänzender Kohlköpfe, manche so spitz wie Judenhüte, andere rund wie die Köpfe der Gassenkinder. Martha würde ihm sicher einen ganzen Berg davon zum Einsalzen abkaufen. Daneben klickerte ein kleiner Junge in einem Korb mit

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