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Die Himmelsmalerin

Die Himmelsmalerin

Titel: Die Himmelsmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Rosenberger
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Satz verbiss, bis er sein Geheimnis geknackt hatte. Wenn er es sich eingestand, war der Junge mit den blonden Locken sein Liebling in dieser Klasse voller Rüpel und Faulpelze.
    »Bruder Kilian!«
    »Was gibt es denn noch?«
    »Ich …« Es fiel dem Zehnjährigen sichtlich schwer, auszusprechen, was er sagen wollte, und er druckste herum. »Ich wollte Euch etwas fragen. Wie wär es, wenn ich auch Novize werden könnte? Ich würde so gern noch mehr lernen.«
    Entsetzen erfasste Kilian wie eine schwarze Woge. »Nein!«, rief er. »Verkauf lieber Wein, reise nach Paris und Venedig, aber werde bloß nicht Dominikaner.«
    Ohne ein Wort zu sagen, drehte der Kleine sich um und rannte durch die Tür. Kilian stand auf und räumte das Klassenzimmer auf. Manchmal fühlte er sich wie ein alter Mann, aller Illusionen beraubt. Er zog die Kapuze über den Kopf und steckte die Hände in die Ärmel, ein würdevoller Mönch, der in seiner Kontemplation allein sein wollte.
    Nach dem Mittagessen erging er sich eine Weile im Kreuzgang. Andere Mönche standen in Gruppen da, parlierten und disputierten über ihre Studien. Der Orden und besonders das Esslinger Kloster waren bekannt dafür, ein Hort des Wissens zu sein. Doch seit Valentin als Gefangener hinter die Mauern des Klosters gebracht worden war, hatte sich zwischen Kilian und seinen Mitbrüdern ein Graben aufgetan.
    Sicher wussten sie, was zwischen dem Prior und seinem Adlatus geschah. Angefangen hatte es, als Kilian spürte, dass er kein Kind mehr war. War das wirklich erst ein Jahr her? Wie konnte man in einem Jahr so uralt geworden sein?
    Er war gerade fünfzehn, im Jahr davor um einen Kopf gewachsen, und die Blicke des Priors hatten anders auf ihm geruht als vorher. Eines Tages hatte er ihn in seine Zelle gerufen, für Kilian kein Sonderfall, denn schon oft hatte er für Balduin in seiner schönen, gestochenen Schrift einen Brief geschrieben, den ihm dieser diktierte. Doch dann kam alles anders. Auf Balduins schmaler Pritsche lag eine kleine ledergebundene Abschrift, einer von Platons Dialogen, das Symposion oder Gastmahl.
    »Hier schreibt der große Platon über den Eros«, hatte Balduin gesagt und mit ihm gemeinsam die einzelnen Szenen gelesen.
    Für Kilian war es kein Problem, Platon zu verstehen. Griechisch konnte er inzwischen so perfekt wie Latein, und was der Philosoph mit seinem Dialog über die Liebe aussagen wollte, war ebenfalls klar: Es ging um die irdische und die himmlische Liebe, die zueinander in Kontrast und in Beziehung standen. Und die irdische war natürlich nur dazu da, in die transzendente Sphäre der keuschen Liebe, der himmlischen, überführt zu werden. Er hatte sich darüber in Hitze geredet. Bis er merkte, dass es Balduin keineswegs um einen gelehrten Disput ging. Neben ihm auf dem schmalen Bett sitzend, hatte der Prior plötzlich seine Hand ergriffen und unter seine Kutte geführt. Noch heute spürte Kilian die Mischung aus Ekel und Überraschung, als er Balduins heißes, steifes Glied berührte, die glatte, nasse Eichel, die sich ihm entgegenreckte wie ein neugieriges Tier.
    »Immer, wenn ich dich ansehe, geht es mir so«, flüsterte der Prior.
    Und dann hatte er seine Hand genommen und um den harten Schaft gelegt und gerieben und gerieben, so wie Kilian es sich Nacht für Nacht versagte und dafür mit den schlimmsten Träumen büßte, so lange, bis sein weißer Saft ihm über die Finger gelaufen war.
    »Es ist gut, mein Sohn«, sagte Balduin danach. »Weißt du, dass es bei den Griechen eine Liebe gegeben hat, die viel reiner ist als die zwischen Mann und Weib?«
    Kilian schüttelte verstockt den Kopf und wollte sich irgendwo die Hand abwischen, die noch immer Balduins schlaffes, glitschiges Glied umschloss. »Es ist die zwischen Knaben und Männern. Sie ist nicht dazu da, Kinder in die Welt zu setzen, sondern ist ein Ausdruck der Achtung, die der Schüler vor einem Lehrer hat.«
    Und dann hatte er Kilian geküsst und ihm seine Zunge tief in den Mund gesteckt.
    Die Kirche mischte sich in alles ein, was das Zeugen von Kindern betraf. Sogar die Häufigkeit und die Zeiten des Beischlafs wollte sie reglementieren, damit jedes Ehepaar diese Dinge nicht aus Vergnügen tat, sondern sich dabei nur um die Zeugung von Nachwuchs bemühte. Aber was im Kloster in der Zelle des Priors geschah, das war etwas Schlimmeres als ein Beischlaf am Freitag. Es war Sodomie, eine Todsünde, die sie beide, Kilian und seinen Liebhaber, die ewige Seligkeit kosten würde.
    Bei

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