Die Himmelsmalerin
allein mit der Arbeit, und dann taucht Ihr wieder auf, ausgerechnet dann, wenn ich eigentlich im Weinberg bei der Lese sein müsste oder wenigstens mit Martha Kraut hobeln, und braucht mich nicht mehr!«
Ungläubig starrte er sie an. Ob er den Capricen eines Frauenverstands je folgen konnte, wusste er nicht.
»Madeleine«, sagte er begütigend und griff nach ihrer Hand.
Das hätte er nicht tun sollen. Die Berührung raubte ihm den Atem. Lena ging es nicht anders, wie er mit Genugtuung feststellte. Einen Moment später lag sie in seinen Armen, und er küsste sie. Flüssiges Glas, Feuer, das durch seine Adern floss, sie hoben ab und zerschmolzen. Der Augenblick verging, und sie landeten, schwer atmend, wieder auf dem Boden.
Fassungslos und außer Atem starrten sie sich an.
»Mon Dieu – das hätte ich nicht tun sollen.«
»Schon gut«, sagte Lena und lächelte. Ihr Mund sah aus wie eine frisch erblühte Rose. Sprenkel zogen sich über ihre Stirn, Nase und Wangen wie Sternbilder. Allein in dem Anblick hätte er ertrinken können. »Was hast du so lange in Burgund gemacht?«
»Ich hatte etwas zu klären«, sagte er und fasste einen Entschluss. »Frag mich bitte nicht nach meiner Herkunft. Das geht niemandem etwas an. Aber eines kann ich dir sagen. Dort gibt es ein Landgut, aus dem mir Einkünfte zustehen. Von denen zahle ich Konrads Ablöse und einen Vorschuss.«
»Das war alles geplant?«
Er nickte. »Ich brauche Konrad.«
Tränen traten in ihre Augen. »Und mich nicht mehr?«
»Natürlich brauche ich dich. Immer, jeden Tag.«
Wieder ließ sie sich in seine Arme ziehen und küssen. Als ihre Münder sich widerstrebend trennten, war der Himmel ein Stück heller.
»Konrad macht mir einige Fenster selbständig nach meinem Entwurf.«
Sie nickte traurig. »Das kann ich noch nicht.«
Er lachte und legte ihr einen Finger auf den Mund. »O doch, la femme par la femme – du wirst die Königin von Saba machen.« Die Salomon den Kopf verdreht hat, wollte er schon hinzufügen, so wie du mir, ließ es dann aber lieber bleiben.
»Wirklich?«, flüsterte sie glücklich.
»Ich brauche jede helfende Hand, und zeichnerisch bist du so weit. Doch für den Aus- und den Einbau ist Konrad wichtig, denn deinen Vater kann ich nicht auf das Gerüst schicken, und der Altgeselle Johann macht mir zu viele Fehler.«
Madeleine nickte. »Valentin wird dir sicher auch gerne helfen.«
»Dann ist er immer noch im Franziskanerkloster?«
»Wenn der König kommt, werden sie ihm den Prozess machen.«
»Keine Angst.« Er strich über ihre Wange. Die Pfirsiche in der Provence fühlten sich genauso an. »König Ludwig ist ein gerechter Mann. Und er hört auf die Franziskaner.« Hand in Hand gingen sie zurück in die Werkstatt. Konrad hob die Augenbrauen, als er sie sah, sagte aber nichts.
Noch nie war die Arbeit Lionel so schnell von der Hand gegangen. Er war wie beflügelt, von einem Engel geküsst, hätte seine Mutter gesagt. Aber die Löwin, die ihm von ihrem Tisch aus verschwörerisch zublinzelte, war nichts weniger als das. Eine sehr junge Löwin allerdings.
Weil Lena den Blick nicht von ihm wenden konnte, vergaß sie das Schneideisen im Feuer und erschreckte sich fürchterlich, als es brandrot glühte. Nachdem es abgekühlt war, stockte sie und betrachtete verunsichert das Glasstück, das sie schneiden sollte. Bis jetzt hatte sie erst einmal Glas zugeschnitten, und nun reichte ihr Mut nicht für ihr Vorhaben. Da trat Lionel von hinten heran, nahm ihre Hand und führte das immer noch heiße Schneidewerkzeug über die geschwärzte Linie auf der blauen Glasplatte, die mit einem unangenehm hohen Knacken auseinanderbrach. Ein Stück Hintergrund lag vor ihnen, der Himmel für eines der neutestamentarischen Bilder.
»Man braucht den richtigen Druck«, sagte er. »Wie für so vieles.«
Sie drehte sich um und lächelte ihn an. »Meine Hand.« Er ließ sie los.
Später arbeiteten sie still vor sich hin. – Lena radierte einen Rankenhintergrund aus, Konrad setzte die Fragmente eines Bildes mit Hilfe von Kitt in ihre H-förmigen Bleiruten ein, und Lionel nahm sich den eigentümlich farblosen Heiligenschein der Maria im Pfingstbild vor.
Lena wurde neugierig. Leise stellte sie sich hinter ihn. Auch Konrad blickte auf.
»Was machst du da?«
»Komm rüber!«, sagte Lionel.
Er drehte das Fenster vorsichtig auf die Rückseite und bemalte den Heiligenschein um die zentrale Marienfigur mit dem unscheinbaren braunen Brei, der entstand, wenn
Weitere Kostenlose Bücher