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Die Himmelsmalerin

Die Himmelsmalerin

Titel: Die Himmelsmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Rosenberger
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an, der nickte, als habe er nichts anderes erwartet.
    »Ihr müsst nicht gehen. Seid unser Gast, so lange wie Ihr wollt.«
    »War Balduin gestern da?«, fragte Kilian leise. »Hat er gesehen, was ich getan habe?«
    »Natürlich beehrte uns der Prior auch gestern mit seiner Anwesenheit, und der Bluterguss an Eurem Hals spricht eine klare Sprache.«
    Er nickte. Balduin wusste also Bescheid und wollte verhindern, dass Kilian plauderte. Der Skandal, dass der Neffe des Bürgermeisters freiwillig aus dem Leben scheiden wollte, würde die Grundfesten des Dominikanerklosters erschüttern, auch wenn sich der Grund nicht eindeutig offenbarte. Er war sich nicht sicher, ob er Balduin bloßstellen wollte, brauchte Bedenkzeit.
    »Ich danke Euch für das Angebot«, sagte er nach kur- zem Zögern. »Ich bleibe, solange es notwendig ist, und bin sicher, dass mein Onkel den Franziskanern ihre Gastfreundschaft vergelten wird.«
    »Darüber reden wir, wenn es so weit ist«, sagte Bruder Thomas. »Vielleicht solltet Ihr aber noch nicht alle Brücken hinter Euch abbrechen.«
    »Was wollt Ihr damit sagen?«
    »Nun, wie ich hörte, seid Ihr auf dem Wege, ein Gelehrter zu werden. Die Möglichkeiten Eures Ordens, Eure Begabung zu fördern, sind immens.«
    »Sie wollten mich in Köln studieren lassen«, sagte Kilian kleinlaut. »Aber mir gelingt nichts. Ich schaffe nicht einmal, mich anständig umzubringen.«
    »Was auch immer Euch in Eurem Konvent zugestoßen ist, Bruder Kilian.« Der Arzt sah ihn prüfend an. »Meint Ihr nicht, dass Gott selbst Euch gerettet hat, indem er den Ast beizeiten brechen ließ und Lena und Lionel Jourdain vorbeischickte?«
    »Ein Gottesurteil?«
    »Gott hat auf jeden Fall noch etwas mit Euch vor. Wenn Ihr gestern gestorben wärt, würdet Ihr nie erfahren, was das ist.«
    Plötzlich hatte Kilian das Bedürfnis, mit dem ruhigen Mann an seiner Seite zu sprechen.
    »Ich bin in diesem Kloster allem Möglichen begegnet, aber nicht Gott.«
    Bruder Thomas stand auf und begann in der Zelle auf und ab zu gehen. »Es gibt viele Dominikanerklöster, in denen Gott in tiefem Ernst gesucht wird.«
    »Nicht hier«, sagte Kilian leise.
    »Gott hat Euch einen weiten Weg geführt. Beten, arbeiten, sich selbst kasteien, manchmal scheint das nicht zu genügen. Dann führt der Weg über die Schuld und die Vergebung.«
    Kilian fühlte, wie Hitze sein Gesicht übergoss. Er hatte gefiebert. Und da waren Träume gewesen, bitter wie Wermutsaft und süß wie französischer Wein. Und er begriff. »Ihr sprecht fließend Latein?«
    Der Arzt legte seine Hand auf Kilians Arm, der sich am liebsten in seinem Strohsack verkrochen hätte. »Keine Sorge. Euer Geheimnis ist bei mir sicher. Sodom und Gomorrha hinter Klostermauern – das kommt häufiger vor, als Ihr denkt. Und Prior Balduins Ruf war schon vorher – sagen wir mal – nicht unbefleckt.«
    »Aber ich habe es genossen«, sagte er leise.
    Der Arzt zuckte die Schultern. »Ihr seid jung und habt diese Dinge nicht freiwillig mit Euch geschehen lassen. Geht nicht zu hart mit Euch ins Gericht.«
    »Wenn es rauskommt, ist Balduins Laufbahn zu Ende«, sagte Kilian und schluckte einen Atemzug Feuer herunter. »Und Gott schweigt.«
    »Das tut er manchmal.« Der Arzt grinste schief. »Bei mir auch schon hin und wieder. Natürlich könnt Ihr Euch ganz von einer kirchlichen Laufbahn abwenden und in das Kontor Eures Onkels eintreten. Aber bevor Ihr das tut, vergesst nicht, dass auch wir Franziskaner begabte Novizen auf die Universität schicken. In den Dominikanerklöstern wird die Bildung gepflegt. Aber wir halten es mit dem Poverello, dem kleinen Armen, der in der verfallenen Kirche von San Damiano Gottes Stimme gehört hat, die ihm befahl, Seine Kirche wieder aufzubauen. Und das dürfte vorerst genug Stoff zum Nachdenken sein.«
    Er stand auf und verließ den Raum. Kurz darauf drückte sich Benedikt wieder durch die Tür und setzte sich auf den Schemel neben Valentins Tisch. Der kleine Hund Streuner saß daneben, gähnte gelangweilt und klopfte mit dem Schwanz auf den Boden. Benedikt räusperte sich kurz und öffnete dann das Buch, das er in der Hand hielt. Kilian entzifferte mühsam die Überschrift. Es war Senecas »De brevitate vitae« (Von der Kürze des Lebens), aus dem ihm der Novize stockend vorzulesen begann.
    Dieser Arzt!

30
    Der Tag trug ein Kleid aus Regen. Nebelschwaden hingen zwischen den Häusern, die Valentin seltsam fremd vorkamen. Das lag nicht nur an der veränderten Jahreszeit,

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