Die Himmelsmalerin
lösen können.«
Sie setzten sich an den Tisch, auf dem zwei Urkunden lagen. Lionel rollte das erste Blatt auf, und begann zu lesen. Kopfschüttelnd legte er es beiseite und griff sich das zweite.
»Das Dokument wurde von einem Advokaten aufgesetzt und gesiegelt«, sagte er. »Und es sind zwanzig Florentiner Gulden geflossen.«
Lena hielt die Luft an. So viel Geld! Lionel setzte sich derweil zurück. »Wie konntet Ihr das nur tun, ohne den Bräutigam vorher – nun, genau zu inspizieren – oder zu prüfen, oder …«
Ihr Vater wand sich. »Es stand sehr schlecht um die Werkstatt. Meine letzten kirchlichen Auftraggeber wollten nicht zahlen. Und es gibt Gläubiger.«
»Ach, Vater«, sagte Lena, die sich plötzlich sehr müde fühlte. »Warum hast du mir nichts davon gesagt?«
»Ich wollte dich nicht belasten. Du trugst doch schon die ganze Verantwortung.«
»Stattdessen habt Ihr sie verschachert. Merde! « Lionel stand auf und begann, in der Küche auf und ab zu laufen. »Mit Hilfe eines Advocatus seid Ihr in die Lage gekommen, und so einer wird Euch auch wieder raushelfen. Darum kann ich mich kümmern. Und das Geld muss bis auf den letzten Heller zurückgezahlt werden.« Er setzte sich wieder.
»Das kann ich nicht mehr«, sagte der Vater. »Es ist zum größten Teil ausgegeben, um die dringendsten Verpflichtungen zu begleichen.«
»Auch ich verfüge nicht über so viel Geld«, sagte Lionel leise. »Ich habe zwar noch etwas hier, aber nicht so eine große Summe. Um die aufzubringen, müsste ich wieder ins Burgund. Das Honorar für das Fenster der Franziskaner könnte einen Teil begleichen. Den Rest leihen wir uns bei den Juden.«
In diesem Moment schwang die Tür auf, und Meister Marx stand im dunklen Rahmen. Die blanke Wut in seinen Augen deutete darauf hin, dass er schon länger gelauscht hatte.
»Ins Burgund und wieder zurückfliegen könnt nicht einmal Ihr, Meister Jourdain. Und das Geld für das Chorfenster bekommt Ihr erst, wenn es fertig ist. Die Zeit ist gegen Euch.« Mit zwei schnellen Schritten war er am Tisch, packte Lenas Arm und zog sie auf die Füße. Sie wehrte sich, aber sein Griff drückte um ihr Handgelenk wie ein Schraubstock. »Denn ich werde mit der Metze schon am nächsten Sonntag vor die Kirchentür treten. Nichts und niemand auf der Welt kann das verhindern.« Der Schraubstock um ihren Arm zog sich fester.
Lionel stand auf und schaute auf ihn herunter.
»Seid Euch da nicht so sicher«, sagte er kalt.
»Begreift doch, Burgunder.« Anstetters Stimme war beinahe sanft. »Ihr kommt zu spät.«
Er zog Lena an sich und drückte einen unbeholfenen Kuss auf ihre Lippen, der sich anfühlte wie eine schleimige Schnecke. Dann schleuderte er sie an die Umrandung der Feuerstelle. Lena blieb einen Moment lang benommen liegen. Ihre Rippen schmerzten höllisch, und als sie sich aufrichtete, ging hinter ihren Augenlidern ein Funkenregen zu Boden. Eine starke Hand half ihr auf die Füße.
»Geht es?«, fragte ihr Vater.
»Schon gut.« Vorsichtig versuchte sie zu atmen und wunderte sich, warum es in der Küche so still war. Was sie sah, ließ sie so schnell Luft holen, dass ihre Rippen noch mehr stachen. Lionel hatte den Tübinger an die Wand gedrängt und schaute mit einem Blick auf ihn herunter, der ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ. Anstetter ging es genauso. Er war kalkweiß, und seine Brust hob und senkte sich.
»Wenn Ihr sie noch einmal anfasst, töte ich Euch«, sagte Lionel leise. Jeder in diesem Raum wusste, dass er die Wahrheit sprach. Mit einem Ruck stieß er Anstetter zur Tür.
»Ihr ….« Der Tübinger holte krampfhaft Luft. »Das werdet Ihr bereuen. Und … sie … Ich komme mit dem Büttel wieder. Ihr … Mörder …«
In der Küchentür stieß er mit Martha zusammen, die mit Sanna auf dem Markt gewesen war. Ein Korb reifer Herbstzwetschgen verteilte sich auf dem Boden. Resigniert bückte sich Lena und half den beiden, die Zwetschgen wieder einzusammeln, die in alle Richtungen davon kullerten.
»Was hatte denn der Saukerl? Der sah ja aus, als sei ihm ein Geist begegnet! Nicht, als ob ich es ihm nicht gönnen würde.«
»Es war nur Lionel!«, flüsterte Lena.
»Das hat er gut gemacht.« Martha stand auf und putzte sich die klebrigen Hände an ihrer Schürze ab. »Den Denkzettel, den hat der Tübinger schon längst verdient, oder Heinrich?«
»Nun.« Der Glasmaler räusperte sich.
Martha stemmte die Hände in die Hüften.
»Schon gut!«, sagte Lionel. Im
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