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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Bewegung auf den Kutschbock, griff mit der linken Hand nach dem Zügel und versuchte mit der anderen, Arri zu sich heraufzuzerren. Es gelang ihr nicht, weil sie sich instinktiv sträubte, und auch Leas Kräfte schienen mittlerweile erschöpft. Arri fiel erst jetzt auf, wie mitgenommen ihre Mutter wirkte. Ihr Gesicht war rußverschmiert, und auch ihr Umhang und ihr Kleid wiesen überall Brand- und Rußflecken auf; vielleicht war es auch das Blut des Mannes, den sie erschlagen hatte.
    »Verdammt!«, herrschte Lea sie an. »Komm endlich her!«
    Ganz im Gegenteil versuchte Arri nur mit noch größerer Kraft, sich loszureißen. Sie konnte nicht sagen, ob ihre Panik allmählich schwand oder nur eine andere Qualität annahm, aber plötzlich wurde ihr klar, was ihre Mutter vorhatte, und der Gedanke war so entsetzlich und so widersinnig zugleich, dass sich alles in ihr einfach dagegen sträubte, ihn auch nur zu denken.
    Immer verzweifelter riss und zerrte sie und warf sich zurück, aber Lea hielt sie mühelos fest und zog sie langsam, aber auch ebenso unaufhaltsam zu sich herauf auf den Wagen. Die beiden Tiere scheuten und stemmten sich gegen ihr Geschirr, und der ganze Wagen begann zu beben und sich von einer Seite auf die andere zu neigen wie ein vollkommen überladenes Boot im Sturm.
    »Arianrhod!«, schrie ihre Mutter. »Hör damit auf, oder ich muss dich schlagen!«
    Es war nicht diese Drohung, die Arri dazu brachte, ihren Widerstand einzustellen, sondern der viel schlimmere Unterton in der Stimme ihrer Mutter; da war plötzlich eine Härte und Unerbittlichkeit, die sie trotz allem in dieser Form noch nie gehört hatte. Und dasselbe spiegelte sich in ihrem Blick wider und ließ Arri nichts anderes als pure Angst vor ihrer Mutter empfinden. Sie machte noch immer keine Anstalten, auf den Wagen hinaufzusteigen, ließ sich nun aber widerstandslos von ihr auf die schmale Bank heraufzerren, und kaum hatte sie es getan, da griff ihre Mutter mit beiden Händen nach den Zügeln und ließ die Stricke wie eine Peitsche knallen.
    Die Pferde wieherten unruhig und setzten sich unverzüglich in Bewegung. Doch das schwerfällige Gefährt rollte so langsam los, als kämpfte es gegen einen unsichtbaren, aber geradezu unüberwindlichen Widerstand. Noch einmal näherten sie sich dem Haus, denn der Wagen war von seiner Bauweise her nicht dafür geeignet, auf der Stelle zu wenden, und aus dem großen, von mittlerweile fast weißer Glut erfüllten Fenster, an dem sie entlangfuhren, drang ein Schwall erstickender Hitze, Qualm, Schreie, hektischer Lärm und ein furchtbares, helles Zischen und Prasseln, welches sich Arri nicht erklären konnte, das ihr Entsetzen aber weiter anstachelte. Dort drinnen starben die Menschen, die nicht mehr rechtzeitig vor der Wucht des Feuers und dem erstickenden Rauch hatten fliehen können, das spürte sie.
    »Aber. aber wir können sie doch nicht.«
    »Wir können nichts mehr für sie tun«, fiel ihr Lea ins Wort. Sie bückte sich, als ein Funkenschauer aus dem Fenster herausschlug und drohte, ihr das Haar und die Schultern zu versengen, und ließ dann die Zügel abermals wie eine Peitsche knallen. Die Pferde versuchten schneller zu gehen, und für einen Moment hatte Arri das schreckliche Gefühl, dass sich der ganze Wagen so weit zur Seite neigte, als wolle er umstürzen. Dann fanden die kräftigen Hufe der Tiere Halt, und das schwerfällige Gefährt setzte sich schaukelnd, aber rascher werdend, in Bewegung und entfernte sich von dem Haus. Arri drehte sich nun auf der Sitzbank um und sah zurück; mittlerweile drang die unheimliche rote Glut nicht mehr nur aus den Fenstern oder der weit offen stehenden Tür. Auch durch die Ritzen der Wände und des Daches glühte es überall drohend und heller werdend, und Arri konnte die brodelnden schwarzen Qualmwolken, die zum Himmel stiegen, selbst in der fast Sternenlosen Nacht erkennen. Die gellenden Schmerzensschreie schienen lauter zu werden, je weiter sie sich entfernten, und nun glaubte Arri auch eine Anzahl von schattenhaften Gestalten zu erkennen, die aus dem Haus stürmten. Mindestens eine von ihnen brannte.
    »Wir können nichts mehr für sie tun, Arianrhod«, sagte ihre Mutter mit sonderbar leerer, fast tonloser Stimme und ohne sich umzuwenden. »Es wiederholt sich alles. Es ist. wie in unserer alten Heimat. Das Feuer holt sich seine Opfer, ohne dass es jemand aufhalten könnte.«
    »Aber sie sterben«, murmelte Arri. »Ihr Haus brennt nieder. Sie werden alles

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