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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Krieger geprallt war. Auch aus der offen stehenden Tür hinter ihm zuckte gelber und weißer Feuerschein, gefolgt von fettigem, schwarzem Qualm, der sich unter dem Türsturz hindurchschlängelte und brodelnd nach oben kroch. Schon in den wenigen Atemzügen, die Arri und ihre Mutter gebraucht hatten, um die Tür zu erreichen, hatte sich eine schwarze Gewitterwolke unter der Decke gebildet, die mit fast unheimlicher Schnelligkeit wuchs. Was immer Targans Familie in dem kleinen Raum hinter der Tür gelagert hatte, brannte wie Pech.
    »Weiter!«, keuchte Lea. Ohne Arri auch nur die Möglichkeit zu geben, ihrer Aufforderung Folge zu leisten, zerrte sie sie herum und stieß sie weiter vor sich her auf den Ausgang zu.
    Kurz bevor sie ihn erreichten, sah Arri noch einmal über die Schulter zurück, aber sie bedauerte fast, es getan zu haben. Targans Familie hatte ihren Schrecken immerhin weit genug überwunden, dass die Ersten begannen, das Feuer zu bekämpfen, indem sie mit Decken, Fellen und allem anderen auf die Flammen einschlugen oder Wasser ins Feuer schütteten - was sich zumindest in einem Fall als fatal erwies, denn die Flüssigkeit, die einer der Männer mitsamt dem Krug, der sie enthielt, in die Flammen warf, loderte plötzlich hell auf und verschlimmerte das Durcheinander nur noch. Die brodelnde schwarze Wolke unter der Decke war noch dichter geworden, und Arri verspürte ein neues, scharfes Kratzen im Hals, das ihr sagte, dass dieser Qualm nicht nur Qualm war. Dann erglühte das Licht hinter der Tür zu greller weißer Glut, und fast gleichzeitig erscholl ein dumpfer Knall, und Arri konnte spüren, wie das gesamte Haus unter ihren Füßen erbebte, als wolle es damit signalisieren, dass ihm niemand mehr entkommen konnte. Ihre Mutter riss sie rüde zurück und stieß sie so derb durch den Ausgang und nach draußen, dass sie auf die Knie fiel.
    Mit einem einzigen Satz landete Lea neben ihr, riss sie - noch derber als zuvor - auf die Füße und stieß sie weiter. »Die Pferde!«, keuchte sie. »Hol die Pferde!«
    »Die Pferde?«, wiederholte Arri verständnislos. »Aber wir müssen.«
    »Sofort!«, unterbrach sie ihre Mutter, und diesmal in so scharfem, fast panischem Ton, dass Arri unwillkürlich herumfuhr und in die Dunkelheit hineinstolperte; eine Dunkelheit, die nicht mehr annähernd so vollkommen war wie vorhin, als sie mit Runa (die jetzt tot war) den gleichen Weg entlanggestolpert war. Das matte Dunkelrot, das durch die Fenster des großen Gebäudes gedrungen war, hatte sich in ein loderndes Orange und Gelb verwandelt, und auch hier draußen glaubte Arri schon den ätzenden schwarzen Qualm zu riechen. Schreie und hektischer Lärm wurden mit jedem Schritt, den sie sich der Ecke des Gebäudes näherte, lauter, und kurz bevor sie ihr Ziel erreichte, glaubte sie einen weiteren, noch gewaltigeren Knall zu hören, der aus dem Haus herauswehte.
    Hinter der geschlossenen Tür erscholl das panikerfüllte Wiehern und Kreischen der Pferde, und noch bevor Arri den schweren Balken beiseite gewuchtet hatte, roch sie auch hier etwas Scharfes, das die Luft verpestete. Sie brach sich zwei weitere Fingernägel ab, weil sie sich in ihrer Hast viel zu ungeschickt anstellte, um den Balken hochzuwuchten, zerrte die Tür bibbernd vor Furcht und Schmerz, weit genug auf, um sich hindurchzuquetschen, und war im ersten Moment fast blind. Dumpfe, polternde Laute und der Geruch nach Panik schlugen ihr entgegen. Arri tastete sich mit vorgestreckten Händen in die Dunkelheit hinein, fühlte etwas Weiches, das unter ihrer Berührung zurückprallte, und wäre schon wieder fast gefallen, als sie auf etwas Nassem und Glitschigem ausglitt.
    Dann war raues Holz unter ihren Fingern, und einen Moment später der grobe Strick, den ihre Mutter Zügel genannt hatte, als sie ihr zum ersten Mal ein Pferd zum Führen anvertraut hatte. Wenigstens betete Arri, dass es der Zügel war, während sich ihre Hände rasch daran entlang in die Höhe tasteten. Sie war vollkommen blind. Sie konnte hören, wie die Pferde an ihren Stricken zerrten und in Panik um sich schlugen, und sie konnte nur hoffen, dass sie nicht von den wirbelnden Hufen getroffen wurde. Dann spürte sie Fell unter ihren Fingern und etwas Weiches, Feuchtes. Etwas schlug nach ihrer Hand, aber Arri griff nur umso fester zu, folgte dem Strick mit den blutigen Fingern der anderen Hand wieder nach unten bis zu der Stelle, an der er festgebunden war, und schaffte es irgendwie, den Knoten zu lösen.

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