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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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herauszufordern, im Zentrum seiner Macht und umgeben von all seinen Anhängern und Kriegern?
    Verstohlen sah sie sich um, und es dauerte nur noch einen kurzen Moment, bis sie ihren Irrtum bemerkte.
    Sarn war nicht allein gekommen. Abgesehen von Jamu und einem der beiden Krieger, die sie am Morgen ins Haus begleitet hatten, sah sie niemanden von Nors schwer bewaffneter Truppe, dafür aber ein paar andere, ihr nur allzu bekannte Gesichter. Zwei oder drei Männer aus ihrem heimatlichen Dorf, aber auch andere, die dann und wann zu Besuch gekommen waren, um zu tauschen oder einfach um ein Nachtlager zu bitten. Und es waren allesamt Männer, die sie auf die eine oder andere Weise mit Sarn in Verbindung brachte. Ihr Herz begann ein wenig schneller zu schlagen. Selbst jetzt, wo sie es mit eigenen Augen sah, erschien ihr die bloße Vorstellung einfach nur widersinnig - und doch war sie plötzlich vollkommen sicher, dass Sarn mit der festen Absicht hierher gekommen war, den Hohepriester herauszufordern; und er war alles andere als unvorbereitet. Sie sah, wie auch auf Rahns Gesicht plötzlich ein angespannter, sehr aufmerksamer Ausdruck erschien, und fragte sich, wem seine Treue wohl gehören würde, sollte es tatsächlich zum Schlimmsten kommen.
    »Was willst du damit sagen?«, fragte Nor, noch immer ruhig, als hätte er noch nicht wirklich begriffen, was sich hier abspielte.
    »Dass wir alle Euch ehren und schätzen, Nor«, antwortete Sarn und deutete ein demütiges Kopfnicken an. »Ihr seid es, zu dem die Götter sprechen und der über unser aller Sicherheit und Wohlergehen wacht. Aber nun geht es nicht mehr darum, um eine gute Ernte zu beten, oder dass die Götter uns einen milden Winter bescheren und unsere Herden von Raubtieren verschont bleiben.« Er deutete anklagend auf Arri. »Vielleicht hat der Anblick dieses unschuldigen Kindes Euer Herz gerührt, Nor. Ich glaube, dass es so ist, und es ehrt Euch. Aber ich kenne sie besser als Ihr. Sie und ihre Mutter leben seit mehr als zehn Sommern bei uns, und vom ersten Tag an waren sie wie eine schwärende Wunde im Fleisch, die unser aller Gedanken allmählich vergiftet hat. Sie ist nicht unschuldig. Sie ist so schlecht und verdorben wie ihre Mutter, und was Ihr zu spüren glaubt, das ist nicht die Seele eines unschuldigen Kindes, das ausgenutzt und fehlgeleitet wurde, sondern es sind ihre verdorbenen Zauberkräfte, die auch in ihr schon stark sind. Tötet sie! Tötet sie auf der Stelle, und dann schickt all Eure Krieger aus, um nach ihrer Mutter zu suchen und auch sie zu töten! In jedem Augenblick, den wir hier sinnlos vertun, rücken sie und unsere Feinde vielleicht schon näher!«
    Hinter Arri erscholl der eine oder andere überraschte Ausruf, und nicht nur sie verwirrte es, dass Nor noch immer ruhig blieb, ja, sich im Stillen sogar über Sarns Worte zu amüsieren schien.
    »Alles, was nötig ist, wurde bereits in die Wege geleitet«, antwortete er ruhig. »Ich habe die besten meiner Krieger ausgeschickt, um nach ihr zu suchen. Sie werden sie aufspüren und töten, und wir sind auch gewappnet, wenn die Feinde kommen. Falls sie kommen, Sarn.« Er hob rasch die Hand, als Sarn widersprechen wollte, und plötzlich wurde seine Stimme doch scharf; nicht einmal wirklich lauter, aber so schneidend wie die Klinge eines Schwertes. »Unser Volk ist stark, Sarn. Stark genug, um jedem Feind die Stirn zu bieten, der von außen kommt. Aber ich beginne mich zu fragen, ob unsere wahren Feinde vielleicht nicht von außen kommen, sondern aus unseren eigenen Reihen.«
    Das war deutlich. Das unruhige Raunen ringsum wurde lauter, und Arri entging auch nicht die eine oder andere Hand, die zum Schwert glitt oder sich fester um einen Speer, einen Knüppel oder einen Axtstiel schloss. Sie unterdrückte den Impuls, sich hastig umzusehen, spannte sich aber innerlich. Wenn Sarn tatsächlich so dumm war, einen offenen Kampf zu riskieren, dann würde in diesem hölzernen Rund im wahrsten Sinne des Wortes die Hölle losbrechen, und möglicherweise wäre das die Gelegenheit, auf die sie gewartet hatte.
    »Ich bin nicht Euer Feind, Nor«, antwortete Sarn fast sanft. »Im Gegenteil. Ich achte und verehre Euch, wie jeder hier, doch ich sorge mich um unser Volk! Der Feind rüstet zum Krieg! Ihr könnt es nicht wissen, aber ich habe die Schlange gesehen, die wir seit so vielen Sommern in unserer Mitte geduldet haben!«
    Nors Blick wurde noch kühler. »Was willst du damit sagen?«
    Sarn senkte scheinbar

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