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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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feindselig an, dann aber wich er mit einem trotzigen Schritt zurück auf den ihm zugewiesenen Platz - oder wollte es. Arri war ganz sicher, dass Nor abgewartet hatte, wie Sarn sich entschied, dann jedoch machte er eine rasche, abwehrende Geste und winkte den Schamanen ganz im Gegenteil wieder näher zu sich und dem Altar heran.
    »Nicht doch, mein Bruder«, sagte er. »Wir wollen gemeinsam mit den Göttern reden, ihre Antwort gemeinsam vernehmen und den Menschen hier verkünden.«
    Im allerersten Moment wirkte Sarn überrascht und rührte sich nicht von der Stelle, sondern ließ den Blick misstrauisch über Nors hoch aufgeschossene, barhäuptige Gestalt mit dem vollkommen haarlosen Gesicht schweifen, doch bevor sein Zögern wirklich auffallen konnte, trat er wieder auf den Hohepriester zu und nahm an seiner Seite Aufstellung. Nor nickte zufrieden, drehte sich mit einer betont langsamen Bewegung wieder zum Altar um und stampfte wuchtig mit seinem Stock auf. Der Zeremoniengesang der Priester hinter ihm wurde lauter, und auch der Schlag der unsichtbaren Trommeln nahm an Lautstärke und Hektik zu. Wieder traten zwei der jungen Dienerinnen an den Altar heran. Sie brachten weitere kleine Schalen, die sie mit einem brennenden Holz entzündeten und mit ehrfürchtigen Bewegungen vor den beiden so ungleichen Männern auf den schwarzen Stein setzten.
    Der Trommelschlag wurde noch einmal lauter, und auch der Gesang der Priester nahm an Eindringlichkeit zu und wurde zugleich noch rhythmischer, härter, bis er einen nahezu hypnotischen Takt angenommen hatte, der schließlich sogar ihren Herzschlag in seinen Rhythmus zu zwingen begann, vielleicht sogar ihre Gedanken. Die Priester begannen sich jetzt im Takt ihres eigenen Gesanges hin und her zu wiegen, und einzig Nor und der greise Schamane standen weiterhin vollkommen reglos da; Nor mit geschlossenen Augen und einem Gesicht, auf dem sich ein Ausdruck höchster Konzentration spiegelte, Sarn ebenfalls reglos, aber sichtlich beunruhigt, beinahe als wüsste er nicht genau, was nun geschehen würde, oder hätte Angst davor. Er hatte hoch gespielt, dachte Arri, und vielleicht kam ihm allmählich zu Bewusstsein, dass es möglicherweise zu hoch gewesen war. Wenn er den Zweikampf der Magier verlor, zu dem er Nor herausgefordert hatte, dann stand möglicherweise sein Leben auf dem Spiel.
    Arri sah noch einmal zu Rahn und den beiden anderen Männern hin, konzentrierte sich dann aber wieder ganz auf das Geschehen am Altar. Auch wenn sie es nicht wollte, konnte sie doch eine gewisse Neugier nicht ganz verhehlen. Wie jeder im Dorf hatte sie zahllose Male zugesehen, wenn Sarn seine Beschwörungen und Heilzeremonien abhielt, das Orakel las oder die Götter anrief, aber das hier war. etwas anderes. Wenn sie den Ausdruck immer mühsamer unterdrückter Anspannung und Furcht auf Sarns Zügen richtig deutete, dann war es offensichtlich auch ihm fremd; oder bereitete ihm zumindest Unbehagen. Dabei stand Nor noch immer völlig reglos und mit geschlossenen Augen da, als warte er darauf, dass etwas Bestimmtes geschähe, während sich der Gesang der Priester und der dumpfe Trommelschlag, der ihn untermalte, immer weiter und weiter steigerten.
    Die Glut in den kleinen, steinernen Schalen, welche die Dienerinnen abgestellt hatten, wurde allmählich dunkler, der Rauch aber, der aus ihnen aufstieg, nahm im Gegenteil noch zu und wirkte jetzt wie der zähe, schwarze Qualm, der entsteht, wenn man Pech in Brand setzt. Ein leicht süßlicher, nicht einmal unangenehmer Geruch wehte zu Arri herüber, und sie spürte, wie ein ganz sachtes Schwindelgefühl von ihr Besitz ergriff und dann wieder verschwand, bevor es ihre Gedanken tatsächlich verwirren konnte. Der Rauch, der aus den Opferschalen emporstieg, musste eine berauschende Wirkung haben, aber das überraschte sie keineswegs. Sarn verwendete für seinen Zeremonien im Dorf oft berauschende Kräuter oder auch gewisse Pilze und Flechten, die ihm halfen, seinen Geist zu befreien und mit den Göttern Kontakt aufzunehmen; wenigstens war es das, was er behauptete.
    Die Meinung ihrer Mutter war dazu ein wenig anders gewesen und hatte sich hauptsächlich darauf beschränkt, Arri davor zu warnen, so etwas auch nur zu versuchen. Viele der geheimnisvollen Essenzen, die er und die anderen heiligen Männer benutzten, um ihren Geist zu befreien, mochten dies tatsächlich tun, waren dafür aber umso schädlicher für den Körper, und Arri hatte sich schon lange ihre eigenen

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