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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sie wahrnahm, war ein schmerzhaftes Hantieren und Zupfen an ihrem rechten Bein, mit dem ihre Mutter einen Streifen Stoff um die Schnittwunde wickelte, die Jamu ihr zugefügt hatte. Ihr anderes Bein war noch unversorgt und blutete, wenn auch nicht mehr annähernd so heftig wie zuvor.
    »Bleib ruhig«, sagte Lea, ohne auch nur den Blick zu heben. Sie musste gespürt haben, dass Arri aufgewacht war. »Ich bin gleich fertig.«
    Arri hätte sich nicht einmal dann rühren können, wenn sie es gewollt hätte. Auch wenn die allerschlimmsten Schmerzen verklungen waren, so schien es doch zugleich an ihrem ganzen Körper nicht eine Stelle zu geben, die nicht irgendwie wehtat, und sie hatte das sichere Gefühl, dass es sofort schlimmer werden würde, sobald sie den Fehler beging, auch nur die allerkleinste Bewegung zu versuchen. Vielleicht, dachte sie, wurde es endlich Zeit, dass sie damit anfing, auf ihre Mutter zu hören, und einfach hier liegen blieb; am besten bis zum nächsten Frühjahr.
    Klaglos, wenn auch mit zusammengebissenen Zähnen, ließ sie Leas Bemühungen über sich ergehen und lenkte sich damit ab, den von größtenteils schon blattlosen Ästen eingerahmten Ausschnitt des Himmels über sich zu betrachten. Ganz, wie Lea es versprochen hatte, benötigte sie nur noch wenige Augenblicke, um ihr Bein zu versorgen und den Verband nach einer letzten Überprüfung so fest zu ziehen, dass es beinahe so wehtat wie vorher. Dann stand sie auf, ging in einem umständlichen großen Bogen um Arianrhod herum, obwohl sie ebenso gut einfach einen Schritt über sie hinweg hätte tun können, und nur einen Augenblick später ertönte das typische Geräusch von reißendem Stoff. Ohne sie noch einmal vorzuwarnen, kümmerte sie sich jetzt um die Wunde an ihrem anderen Bein, was fast noch mehr wehtat.
    Immerhin spürte Arri aber auch, dass sie jetzt nicht mehr so stark blutete wie zuvor. Wie schnell sich die Dinge doch änderten, dachte sie. Es war noch nicht lange her, da hatte sie sich nichts sehnlicher gewünscht, als schnell und schmerzlos zu verbluten; jetzt war ihr klar, dass sie jeden einzelnen Tropfen der roten Lebenskraft, die aus ihr herausgelaufen war, bitter nötig hatte.
    »Du kannst jetzt aufhören, die Leidende zu spielen, Arri«, sagte ihre Mutter. »Ich bin fertig.«
    Arianrhod tat noch einen ganz kurzen Moment lang so, als hätte sie die Worte gar nicht gehört, aber da sie wusste, wie beharrlich ihre Mutter sein konnte und wie gering ihre Geduld im Allgemeinen war, gab sie es nach zwei oder drei Atemzügen auf und stemmte sich vorsichtig auf die Ellbogen hoch.
    Offensichtlich jedoch nicht vorsichtig genug, denn ihre rechte Schulter quittierte die Bewegung sogleich mit einer neuerlichen, heftigen Schmerzattacke, sodass sie um ein Haar wieder zurückgefallen wäre und zischend die Luft zwischen den Zähnen einsog.
    »Was ist mit deinem Arm?«, fragte Lea beunruhigt.
    »Nichts«, antwortete Arianrhod. »Es. es geht schon wieder. Und übrigens: Ich heiße Arianrhod und nicht Arri.« Als ihre Mutter nicht gleich darauf reagierte, fügte sie noch hinzu: »Es wird Zeit, meinen Kindernamen abzulegen, oder findest du nicht? In den vergangenen Wochen ist so viel geschehen, dass ich kaum noch weiß, wie das war: ein Kind zu sein.«
    Ein flüchtiges, fast traurig wirkendes Lächeln huschte über das Gesicht ihrer Mutter. »Ja, ich glaube, du hast Recht. Vergessen wir Arri. Sehen wir zu, dass wir Arianrhod am Leben erhalten.«
    »Dazu hast du ja schon über die Maßen beigetragen«, sagte Arianrhod. »Ich hatte schon mit meinem Leben abgeschlossen.«
    »Warum machst du dann ein Gesicht, als hättest du einen Hund am falschen Ende geküsst?«, wollte Lea wissen.
    Bei der Erwähnung des Wortes Hund verzog Arianrhod abermals das Gesicht. Wahrscheinlich würde sie das für den Rest ihres Lebens tun, auch wenn ihr klar war, dass ihre Mutter diese Bemerkung einzig und allein gemacht hatte, um sie irgendwie aufzuheitern.
    »Jamu hat ihn mir ausgekugelt«, antwortete sie schließlich.
    Der besorgte Ausdruck auf den Zügen ihrer Mutter verstärkte sich noch. »Lass mich nach deiner Schulter sehen«, verlangte sie, während sie gleichzeitig bereits Anstalten machte, die Arme auszustrecken, aber Arianrhod schüttelte nur noch einmal und heftiger den Kopf und machte zugleich eine abwehrende Bewegung. »Das ist wirklich nicht nötig. Er hat ihn mir auch wieder eingerenkt.«
    Leas Blick wirkte für einen Moment irritiert, dann aber deutete sie

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