Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe
sie den bereits Kranken helfen will … und ihrem eigenen Volk …« Seine Stimme sank wieder herab, und er brabbelte etwas, das kaum verständlich war. Aus dem winzigen schiefen Mund rann plötzlich ein Speichelfaden hinab.
Arri glaubte schon, er wäre jetzt vollständig verstummt. Doch dann fuhr Nor noch einmal hoch, und diesmal deutete sein verkrüppelter Finger auf sie selbst.
»Frag deine Mutter, Kind«, sagte er. »Vertrau dich ihrem Rat an. Sie wird dich leiten!«
»Aber«, wehrte Arri ab, »meine Mutter ist doch tot!«
Nor nickte. »Ja. Das ist sie. Genau wie ich.«
»Hier rauf!«, schrie Isana.
Sie griff nach Lexz’ Arm und zerrte ihn mit erstaunlicher Kraft in die Richtung, in die der Hügel weiter anstieg, den sie schon zur Hälfte hochgelaufen waren. Wenn jetzt aber jemand mit Pfeil und Bogen auf sie anlegte, dann wären sie verloren. Was für ein Wahnsinn, hier über die Lichtung zu laufen, statt den Weg durchs Unterholz zu wählen.
Doch es ging gut. Zumindest, bis sie die Hügelkuppe erreicht hatten. Es war kein Pfeil, der sie stoppte, indem er sich in einen von ihnen beiden bohrte. Es war ein keulenschwingender, in dunkle Felle gekleideter Mann, der aus dem Gestrüpp brach und sich mit einem kämpferischen Aufschrei auf sie stürzte.
Lexz empfing ihn mit einem Schlag, in den er seine ganze Wut legte. Der Angreifer riss die Keule nach oben, doch er kam zu spät. Das Schwert von Isanas Vater fuhr in seinen Hals und spießte ihn regelrecht auf. Dem Bärtigen quollen beinahe die Augen aus dem Kopf, und dann platzten die ersten Äderchen in seinen Augäpfeln. Mit einem Aufschrei riss Lexz sein Schwert zurück. Aus dem Hals des Mannes pulste ihm eine Blutfontäne entgegen, und plötzlich war alles rotgesprenkelt. Der Bärtige gab einen schrecklichen Laut von sich, der Lexz durch Mark und Bein ging, und torkelte auf ihn zu. Immer mehr Blut sprudelte aus seinem Hals, und Lexz wurde über und über mit dem roten Lebenssaft besudelt.
Isana schrie auf. Lexz wollte sich zu ihr umdrehen. Aber er konnte es nicht. Er war wie gelähmt. Es war nicht der erste Mann, den er im Kampf tötete. Aber noch nie zuvor war es so schnell gegangen, und auf so widerliche Weise. Dabei kannte Lexz den Mann nicht, und sein Schicksal ging ihn auch nichts an. Aber das hier … so sollte niemand sterben.
Der Mann spuckte Blut. Dennoch brachte er irgendwie die rechte Hand hoch. Lexz wusste nicht, ob ihn ein fürchterlicher Instinkt dazu antrieb, denjenigen in den Tod mitnehmen zu wollen, der ihm das angetan hatte. Es spielte auch keine Rolle. Die Finger des Bärtigen öffneten sich, und Lexz sah, wie die Keule zu Boden fiel.
Dann schien es aber endlos zu dauern, bis sie auf den Boden prallte. Poliertes Eschenholz, dachte Lexz. Sauber poliertes Eschenholz.
Dann endlich schlug die Keule auf dem weichen Erdreich auf.
Der Mann, der sie in den Händen gehalten hatte, hielt sich nach wie vor auf den Füßen. Die Wunde in seinem Hals sprudelte in einem makaberen Rhythmus Blut hervor, doch er selbst tat jetzt einen Schritt nach vorn.
Isana schrie noch einmal, schrill und leidend, und nun, endlich, reagierte auch Lexz. Er brachte das blutige Schwert hoch und drehte sich herum.
Vielmehr wollte er dies tun. Aber da tauchte plötzlich wie aus dem Nichts ein zweiter Angreifer auf.
Nein! Lexz sah, wie sich Isana unter dem Griff des Mannes hinwegduckte, und er erkannte auch die Panik in ihren Augen. Er musste den Kerl aufhalten, sich dann Isana schnappen und gemeinsam mit ihr in die Richtung fliehen, in der er Torgon und Ekarna vermutete.
Es war nur so ein verrückter, flüchtiger Gedanke. Noch bevor er ihn zu Ende gedacht hatte, sprang ihn der Kerl an. Lexz wollte schon ausweichen, mit dem Schwert zuschlagen. Aber der Höhlenbewohner unterlief seine Bewegungen und warf ihn mit purer Körperkraft zurück.
Lexz verlor das Gleichgewicht und stürzte rückwärts in den Mann hinein, den er zuvor so brutal verletzt hatte. Er sah, wie sich der andere wieder umwandte, wie Isana wegzulaufen versuchte – und wie sie der Kerl dann packte, als sei sie ein kleines Kind, und sie sich über die Schulter warf. Isana strampelte wie wild mit den Füßen und hämmerte mit ihren Fäusten auf seinen Rücken ein. Doch er schien es noch nicht einmal zu bemerken.
Das durfte nicht geschehen! Lexz war auf keinen Fall bereit, sich die Frau seines Lebens nehmen zu lassen, kaum dass er sie gefunden hatte. Er stieß den Sterbenden beiseite, der sich noch mit
Weitere Kostenlose Bücher