Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe
Larkar in diesem Haus zurückgelassen hatte. Würde sie nun auch den Speerträger wiedersehen?
Und was war mit den Toten, von denen Amar gesprochen hatte?
Als sie oben angekommen war, wollte sie erst einmal stehen bleiben, um sich zu orientieren. Der mürrische Krieger hinter ihr ließ ihr jedoch nicht die Zeit, sondern stieß sie grob beiseite und betrat neben ihr den einzigen Raum, der sich hier oben unter dem runden Reetdach vor ihnen auftat.
Es war nicht so dunkel, wie sie es in einem fensterlosen Raum erwartet hätte. Mehrere Schalenlampen verbreiteten ein flackerndes, gemütliches Licht, das Arri an die besseren Zeiten in der Hütte ihrer Mutter erinnerte. Aber das war so lange her, dass es schon fast nicht mehr wirklich geschehen schien, und die Erinnerung daran war nicht mehr als ein scharfer, kurzer Stich, der schmerzte, weil sie unwiederbringlich das verloren hatte, was ihr seinerzeit als manchmal langweiliges und zu gemächlich voranschreitendes Leben erschienen war.
Sie brauchte eine Weile, um sich auf den unruhigen, schwachen Schein einzustellen und zu begreifen, dass hier irgendetwas ganz und gar nicht stimmte. Mehrere Krieger hatten sich unter den Dachschrägen auf den Boden gehockt. Sie starrten ihr auf eine unangenehme Art entgegen, fast so, als missbilligten sie, sie hier zu sehen. Dass ihre Waffen griffbereit neben ihnen lagen, verstärkte das Gefühl der Bedrohung noch, das ihr wie ein schlechter Geruch entgegenschlug.
Arri widmete den Männern einen allenfalls flüchtigen Blick. Viel mehr als Amars Krieger interessierte sie jedoch der Mann, der gefesselt ein Stück weiter hinten auf dem Boden hockte. Als er sie bemerkte, blinzelte er erschrocken, schüttelte dann den Kopf, als hätte er gehofft, sie hier nicht sehen zu müssen, und rang sich dann ein trauriges Lächeln ab.
»Larkar«, flüsterte sie.
Zwar wurde der Laut von dem Raum verschluckt, aber Larkar schien ihn trotzdem verstanden zu haben – vielleicht hatte er ihn auch von ihren Lippen abgelesen. Er nickte ganz leicht und zuckte dann mit den Schultern, wie um anzudeuten, dass er ihr keine große Hilfe sein könne.
Damit hatte Arri auch nicht gerechnet. Trotzdem war sie froh, den Speerträger hier lebend zu sehen. Immerhin hätte es auch sein können, dass er schon längst tot war.
Das allein reichte jedoch nicht, um ihr Herz zu wärmen. Ganz im Gegenteil: Sie hatte das Gefühl, kaum noch richtig durchatmen zu können. Die Luft war schwer und tranig – und legte sich auf ihre Gedanken. Das Schlimmste aber schien ihr, dass sie das Gefühl hatte, in eine Gruft getreten zu sein.
Und als erwarte sie hier etwas ganz Fürchterliches.
Dazu passte, dass Amar in einer merkwürdigen Haltung am anderen Ende des Raumes stand. Er hatte die Arme verschränkt und sah ihr auf eine mürrische Art entgegen, wie sie sie eher von Taru erwartet hatte. Von dem jedoch fehlte jede Spur. War er etwa noch unten im Haus? Oder hatte man ihn inzwischen an einen anderen Ort gebracht?
»Niemand hat das Recht, hier zu sein«, sagte Amar zur Begrüßung. »Niemand darf wissen, was du erfahren wirst.«
Arri starrte ihn wortlos an. Neben ihm bemerkte sie einen kostbaren Kupferkessel, der auf einem Holzschemel stand, und in der Dachschräge verschiedene Schalen und Tongefäße, die zumindest aus der Entfernung so aussahen, als seien sie mit Tinkturen, Salben und gestampften Substanzen gefüllt. Es sah fast so aus wie in der Hütte, die man ihr als Heilerin zugeteilt hatte, und in der sie neben Heilkräutern auch noch alles Mögliche andere aufbewahrte, das eine heilende Wirkung versprach. Aber was sollte eine solche Sammlung hier für einen Zweck erfüllen? Wen galt es zu heilen?
Hinter dem Hohepriester war etwas, das er mit seinem Körper zwar fast, aber nicht vollständig abdeckte. Arri hatte den flüchtigen Eindruck von etwas Lebendigem, das sich dort befand. Sie glaubte ein Knacken und Knirschen zu hören. Plötzlich hatte sie das Gefühl, als werde ihr Herz von einer eiskalten Hand zusammengedrückt.
»Wenn du auch nur ein Wort über das verlierst, was du hier erfahren wirst, musst du sterben«, sagte Amar ruhig. »Und es wird kein leichter Tod sein, das kann ich dir versprechen.«
Arri nickte nur benommen. Sie hätte jetzt kein einziges Wort herausgebracht.
Das schien der Hohepriester allerdings auch gar nicht erwartet zu haben. Er stieß die Luft wie jemand aus, der eine große körperliche Leistung vollbracht hatte, dann trat er einen Schritt zur
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