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Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Seite.
    Arri stöhnte auf, als sie sah, was er verdeckt hatte.
    Das Knacken und Knarren stammte von einem großen Korbstuhl, der an der ihr gegenüberliegenden Wand wie ein Thron aufgebaut war. Einen solchen Stuhl hatte sie schon früher einmal gesehen, mitten im Heiligtum von Goseg. Aber das, was in gekrümmter Haltung darin hockte, hatte sie damals nicht gesehen.
    Es war kein Mensch, sondern ein Wurm, der da im Korbstuhl saß, ein riesiger, menschengroßer Wurm.
    Einer von Amars Kriegern stieß sie vorwärts, und so stolperte sie auf den hässlichen Wurm zu. Man hatte ihn in ein kostbares Gewand gesteckt, und als wollte man ihn auch noch verhöhnen, lag dort, wo sich bei einem Menschen der Schoß befand, eine Scheibe aus Bronze, die ein begnadeter Schmied mit Goldblech belegt hatte.
    Arri glaubte ihren Augen nicht zu trauen. War dies etwa die Himmelsscheibe, von der ihre Mutter immer gesprochen hatte? Aber wie sollte sie dann hierhin gekommen sein?
    Als sie am Korbstuhl ankam, trat der Krieger hastig hinter ihr zurück. Fast hatte Arri das Gefühl, als fliehe er vor diesem riesigen Wurm, zu dem er sie hatte bringen müssen.
    Wegen eines Geräusches vor sich schreckte sie aus ihren düsteren Gedanken auf. Sie wollte noch zurückspringen, aber es war zu spät. Der Wurm bewegte sich, er beugte sich ein Stück zu ihr vor.
    »Arri.«
    Es klang nicht nach einem menschlichen Laut, sondern eher wie das Geräusch von rissigem Holz, das aneinandergerieben wird.
    Arri stöhnte auf, als sie dorthin blickte, wo bei einem Menschen das Gesicht gewesen wäre. Ja. Da waren schon Augen, da war ein Mund, und auch der Ansatz einer Nase. Aber sie war verrutscht, und der Mund nur ein kleines schiefes Loch.
    »Eigentlich bin ich längst schon tot«, knarzte das schreckliche Wesen. »Aber ich nehme das einfach nicht hin.«
    Als hätte es sich mit diesem Satz bereits verausgabt, schüttelte eine fürchterliche Bewegung das Wesen. Und Arri begriff ihren schrecklichen Irrtum. Das war kein Wurm und auch kein Dämon, wie es eine hartnäckig wispernde Stimme in ihrem Hinterkopf behauptet hatte: Es war doch ein Mensch.
    Aber ein Mensch, der durch irgendetwas so grauenhaft missgestaltet worden war, dass er als solcher überhaupt nicht mehr erkennbar schien.
    »Wer …« Arri schüttelte verzweifelt den Kopf. »Wer bist du?«
    Eine knorrige, verkrüppelte Hand fuhr nach vorn. Arri hätte ausweichen können, und sie wollte es auch. Aber sie war wie gelähmt. Und als sie die Absicht des Missgestalteten begriff, war es längst zu spät.
    Die Krallenhand griff nach ihr, packte ihr Handgelenk und hielt es mit erstaunlicher Kraft umklammert. Arri stöhnte gegen ihren Willen auf und wollte sich instinktiv aus dem Griff befreien, bis sie begriff, mit wem sie es hier zu tun hatte.
    »Nor!«
    Der Missgestaltete nickte, auch das war eine fürchterliche, unmenschlich wirkende Bewegung.
    »Ja, ich bin Nor, der Hohepriester von Goseg«, bestätigte er. »Und ich habe dich gesucht, Arri. So lange schon gesucht.«
    Der letzte Teil seiner Worte war kaum zu verstehen, dermaßen tief und rau war seine Stimme geworden. Aber trotzdem trafen die Silben Arri wie Faustschläge.
    Jetzt, da sie wusste, wer es war, erkannte sie auch immer mehr Ähnlichkeiten. Nor war schon immer abgrundtief hässlich gewesen, und dazu noch vollkommen haarlos. Das, was die Veränderung in ihm hervorgerufen hatte, musste ihn schon sehr lange quälen. Aber in den letzten zwei Jahren hatte es ihn offenbar in etwas verwandelt, das ihn jede Ähnlichkeit mit dem Menschen, der er mal gewesen war, verlieren ließ.
    »Ich dachte …« Sie schluckte krampfhaft. »Du seist …«
    »Tot?« Nor nickte, aber endlich gab er ihr Handgelenk wieder frei. »Ja, das bin ich auch. Und solange ich tot bin, ist Amar der Hohepriester.«
    Arri hatte inzwischen das Gefühl, überhaupt keine Luft mehr zu bekommen. Das war alles zu viel.
    Nor klopfte mit seiner schrecklichen Krallenhand auf die Bronzescheibe, die auf seinem Schoß lag. Sie war tatsächlich aufwendig gefertigt und schien ein wahres Meisterwerk aus mehrfach getriebener und immer wieder aufs Neue gehärteter Bronze zu sein, wie auch ihre dunkle Färbung bewies. Auf der ebenen Fläche waren goldene Punkte angebracht, und ihre Seiten hatte man mit ebenfalls goldenen Barken geschmückt. Doch für Arri reichte ein flüchtiger Blick, um sie erkennen zu lassen, dass zwar alle Einzelheiten vorhanden waren, aber anders angeordnet erschienen als auf der Scheibe,

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