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Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und knirschte, bewegte sich ein winziges Stück zur Seite … aber nicht nach unten.
    Arri fasste nun auch noch mit der anderen Hand zu, und bevor sie eigentlich wusste, was sie da tat, umklammerte sie mit aller Kraft den Pfeilschaft, während ihre Füße wegrutschten. Es knirschte in der Wand, der Pfeil gab nach, und sie glaubte schon zu spüren, wie sie fiel – und kam doch wieder zur Ruhe, da der Pfeil immer noch nicht aus dem Felsspalt herausrutschte, so fest war er hineingeschossen worden. Sie konnte gar nicht fassen, wie ihr geschah. Zitternd und bebend hing sie über dem Abgrund, und es war nichts weiter als jener Pfeil, der sie hatte töten sollen, der ihr jetzt einen trügerischen Halt gab und den schon sicher geglaubten Absturz zumindest hinauszögerte.
    Die Haare flatterten ihr ins Gesicht, und sie musste sie wegpusten, bevor sie überhaupt wieder etwas sehen konnte. Der – oder die – Bogenschützen hatten offenbar ein freies Schussfeld auf sie, und was auch immer sie jetzt tat, es konnte ja doch nur ihren Tod zur Folge haben. Sie verrenkte sich fast den Hals, um den Kopf weit genug in Richtung des Schützens verdrehen zu können.
    Auch wenn sie es geschafft hätte, es hätte ihr wohl kaum etwas genützt: denn dann hätte sich höchstens wehrlos mit ansehen müssen, wie der Bogenschütze einen neuen Pfeil auf die Sehne legte, um auf sie zu zielen …
    Ein paar kleine Steinchen lösten sich neben dem Pfeilschaft aus der Wand, als es ihr bei diesem ungeheuerlichen Gedanken die Luft abschnürte und sie sich so unruhig bewegte, wie man es sonst nur in einer schweißtreibenden, durchwachten Nacht tat, in der einen alte Erinnerungen oder die Angst vor einer ungewissen Zukunft quälten. Lockeres Erdreich und Moos polterten den Steinchen hinterher, als hätte sie nur auf diese Gelegenheit gewartet, und luden sie damit ein, es ihr gleichzutun. Vor lauter Schreck hätte sie den Pfeil beinahe losgelassen und wäre dem losen Geröll gefolgt. Ihr Herz begann auf eine schrecklich ungesunde Weise noch härter und lauter zu schlagen als auf dem Weg von Urutark bis hier herauf. Als sie sich so weit wie möglich zurücklehnte, zitterten nicht mehr nur ihre Hände, sondern ihr ganz Körper. Sollte es also auf diese Weise enden?
    Und wenn schon. Ob nun der Pfeil aus der Wand brach oder ein neuer Pfeil sie traf, es war einerlei. Sie war erschöpft, und das Zittern in ihren Armen verriet ihr, dass sie sich ohnehin nicht mehr lange würde festhalten können. Was geschah aber nun, wenn sie sich der Erschöpfung ergab, die ihren geschwächten Körper von Anfang an hatte in die Knie zwingen wollen? Wenn sie sich jetzt als Zielscheibe für den oder die Bogenschützen weiter so lange anklammerte, wie es nur möglich war: bis sie entweder abgeschossen wurde oder einfach hinabstürzte, weil der Pfeil ja doch irgendwie aus der Wandritze rutschen musste …
    Die Vorstellung war verlockend. Sie war müde und erschöpft, und wenn sie ehrlich zu sich selbst war, war sie auch ohne Aussicht, ihren Verfolgern auf Dauer zu entkommen. Doch dann sah sie wieder Taru vor sich, wie er sich ihr zornig entgegenreckte, wie sich seine Muskeln spannten, wie sich die Zornesfalte auf seiner Stirn bildete. Und sie sah, wie er in einer Hand ein schreiendes Bündel hielt, Kyrill! Um ihn zu zerschmettern …
    Nein, nein, und nochmal nein! Solange sie auch nur die geringste Chance hatte zu verhindern, dass eine solch schreckliche Szene Wirklichkeit wurde, musste sie sie nutzen. Sie würde Kyrill niemals im Stich lassen!

Kapitel 21
    »Da!«, stammelte Isana. »Da! Was ist das?«
    Taru fuhr herum. Seit Tagen schon spürte er eine Erregung, die er einfach nicht in den Griff bekam. Und jetzt sprang sie ihn wie ein Raubtier an, das sich heimlich angeschlichen und nur auf die richtige Gelegenheit für einen Angriff gewartet hatte.
    »Die Krähe!«, rief sie. »Da – siehst du sie nicht? An dem Felsen! Sie stürzt ab!«
    Tarus Blick wollte zum Himmel fahren, aber Isanas aufgeregt hervorgestoßene Worte ließen ihn im letzten Augenblick zu der schroffen Felsformation blicken, auf die die Tochter des Schmieds mit einer aufgeregten Geste deutete. Er zuckte zusammen, als er die Krähe sah: Es war ein Felsen in Form eines Vogelkopfes, der viel dunkler, sogar fast schwarz war, während die umgebenden Felsen die unterschiedlichsten Grautöne aufwiesen. Die Augen dieser Krähe entsprachen wohl nicht mehr als zwei Mulden in dem, was wie ein gedrungener Vogelkopf aussah.

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