Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe
erreicht hatte.
Lexz nickte und blieb, nur wenige Schritte von dem Haus entfernt, stehen, um sich noch einmal umzusehen. Er musste unbedingt wissen, wer die Bogenschützen waren. Aber die Hoffnung, nun jemanden hervorstürmen zu sehen, der jetzt – wie sie auch – sein Heil darin suchen musste, irgendwo unterzuschlüpfen, zerstob, als er das Ausmaß der Katastrophe sah, die dort auf sie zurollte. Es war eine massive schwarze Wand, die ihnen gefolgt sein musste und eine Welle der Zerstörung vor sich hertrieb.
Er war versucht, hier noch eine Weile auszuharren und sich das unglaubliche Schauspiel anzusehen, das sich da vor seinen Augen abspielte. Aber die Sturmausläufer schienen nur darauf gewartet zu haben, dass jemand so leichtfertig war, sich ihnen entgegenzustellen. Die Böen sprangen ihn augenblicklich an; zwar nicht so schlimm, dass er gleich bei ihrem ersten Ansturm sein Gleichgewicht verloren hätte, aber doch stark genug, um ihn ein Stück zurücktorkeln zu lassen.
Er machte auf dem Absatz kehrt und stürmte in die Hütte.
Die großen behauenen Steine im Tal hatten einen Vorteil: Sie schirmten vollständig vor neugieren Blicken ab, und auch ein ganzer Pfeilregen würde keine Chance haben, sie zu durchdringen. Taru hatte einen Platz am Anfang des Tales im Schutz zweier Monolithen gewählt, der ihnen einerseits zu fast allen Seiten Schutz versprach und es ihm andererseits dennoch ermöglichte, mit ein paar Schritten zur Seite und einem schnellen Blick in die Runde die Umgebung im Auge zu behalten, wenn es darauf ankam.
Der Abschuss der Krähe verwirrte ihn umso mehr, als er ihn nicht einordnen konnte – ihn einfach nicht begriff. Wer, bei allen Göttern, ging denn hier auf Krähenjagd? Und das, nachdem gerade erst ein verheerendes Unwetter über die Region gezogen war?
Ihm wären noch eine ganze Reihe anderer Fragen eingefallen, auf die alle er keine Antwort wusste. Aber dadurch durfte er sich nicht von seiner Suche nach Arianrhod abhalten lassen. Wenn er sich wie ein kleiner Junge benahm, der vor der kleinsten Schwierigkeit kniff, würde er weder sich selbst noch seinem Vater Ehre machen. Nein, er würde dies hier jetzt durchziehen und nichts unversucht lassen, um die im Unwetter entflohene Drude ihrer gerechten Strafe zuzuführen.
»Und was tun wir jetzt?«, fragte Isana ängstlich.
Taru drehte sich zu ihr um und musterte sie nachdenklich. Isana sah furchtbar aus. Ihr Haar war zerzaust, ihre linke Wange so gerötet, als sei sie geschlagen worden, und obwohl sie auch beim Sprechen den Mund nicht richtig öffnete, glaubte er gesehen zu haben, dass ihr ein Eckzahn fehlte. Ihre Kleidung passte dazu, sie war dreckig, zerrissen und triefte nur so vor Nässe.
Und außerdem lieferte sie ihm ein Schauspiel nach dem anderen. Das alles lief so ab: Ich spiele ein liebes kleines Mädchen, das dir nur helfen will – in Wirklichkeit aber warte ich nur darauf, bis ich dir ein Messer in den Rücken stoßen kann.
»Was genau hast du gesehen?«, fragte er barsch.
»Ein Aufblitzen«, antwortete Isana nach einem fast unmerklichen Zögern. »Und dann war da irgendjemand …«
»Irgendjemand?«
»Ja.« Isana fuhr sich mit der Hand durch die nassen wirren Haare. In diesem Augenblick hatte sie etwas an sich, das Taru an die alten Mythen der Todessyren denken ließ. Das war merkwürdig, und wieder lag darin etwas, das ihn verwirrte. Tief in seinem Innersten wusste er, dass es etwas mit der Krähe zu tun hatte, und der Art, wie sie zu Tode gekommen war.
Und vielleicht auch damit, dass der Tod in diesem Tal so greifbar war! Er glaubte ja geradezu, Leichengeruch wahrzunehmen.
»Ich kann es dir auch nicht genau sagen.«
Taru starrte sie überrascht an. »Was genau kannst du nicht sagen?«
»Nun«, antwortete Isana, »du hast mich doch gefragt, was ich gesehen habe.« Ja, das hatte er. Aber dann hatte er an den Tod denken müssen – und plötzlich stieg die pure, nackte Todesangst in ihm auf. »Und genau das kann ich dir nicht sagen. Es war kaum mehr als ein undeutlicher Schemen, der genausogut alles hätte sein können.«
»Natürlich.« Taru glaubte ihr kein Wort. Eigentlich hätte er sie jetzt unter Druck setzen müssen. Aber das konnte er nicht. Der Gedanke an die Todessyre und die Empfindungen, die er auslöste, ließ sich nicht so einfach abschütteln. Es hatte etwas Bedrückendes.
Mit einer trotzigen Bewegung trat Taru aus dem Schutz des Monolithen hervor. Wenn jetzt ein Pfeil auf ihn zurasen sollte – bitte
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