Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe
dieser Riesensteine zerschmettern, wenn du könntest!«
Isana senkte den Blick und sah auf eine Art zu Boden, die schon fast als demutsvoll bezeichnet werden konnte. Gut so. Aber nicht genug, um Tarus Zorn zu besänftigen. Er lauerte darauf, dass sie irgendetwas sagte, das er gegen sie verwenden konnte.
Aber dafür war sie zu klug und verharrte schweigend in der Haltung, die man jemandem zeigte, dessen Befehle man ohne jegliches Zögern zu befolgen hatte. Ja, dachte Taru, langsam begreift sie wohl, dass ich Dragosz’ Nachfolger bin.
Abfällig verzog er die Lippen. »Jetzt ist es vielleicht mal an der Zeit, dass du mir verrätst, warum du dich überhaupt mit der Drude eingelassen hast!«
»Das musste ich doch«, antwortete Isana. Und bevor Taru ihr die passende Antwort darauf geben konnte, fügte sie leise hinzu: »Es hat mir ebenso wenig gefallen wie allen anderen, dass dein Vater sie sich zur Frau genommen hat. Aber so war ich doch gezwungen, ihr Respekt zu zollen!«
»Was dir wohl auch nicht sonderlich schwer gefallen ist.« Erbittert schüttelte Taru den Kopf. »Ich bin maßlos enttäuscht, Isana – von dir enttäuscht. Es stimmt schon, du bist eine echte Rakerin von bester Abstammung. Und da gibst du dich damit zufrieden, so einer wie Arianrhod zu helfen? Warum hattest du nicht den Ehrgeiz, deiner Bestimmung zu folgen und Heilerin zu werden?«
»Aber das bin ich doch jetzt«, widersprach das Mädchen. »Ich bin ja jetzt die Heilerin!«
»Ja – jetzt.« Bitterkeit und Schmerz machten es Taru fast unmöglich weiterzusprechen. »Jetzt, da es zu spät ist.«
»Zu spät?«, fragte Isana wie benommen. »Zu spät wofür?«
»Ja, versteht du das denn nicht!«, schrie Taru. Er bückte sich, um wie vorhin schon eine Handvoll Sand aufzunehmen. Gedankenverloren wog er den Sand in der Hand, dann drehte er sich ein Stück zur Seite und schleuderte ihn so kraftvoll davon, dass die Sandkörner wie Regentropfen davonspritzten. Isana versuchte auszuweichen, aber sie konnte nicht verhindern, dass etliche der Sandkörner ihre linke Wange schmerzhaft trafen.
»Bitte!«, stieß sie hervor. Tränen schossen ihr in die Augen. »Bitte: Lass das sein! Ich bin doch nicht deine Feindin!«
»Da habe ich aber anderes gehört«, sagte Taru grob. »Und ich habe es auch anders von dir erfahren: Oder hast du die ständigen Anfeindungen und Sticheleien schon vergessen? Aber keine Sorge: Ich werde dir nichts tun – jedenfalls nicht, wenn du mich zu Arianrhod führst und mithilfst, dass sie ihrer gerechten Strafe zugeführt wird.«
Isana strich über die schmerzende, sich rasch rötende Wange. »Aber … ich weiß doch wirklich nicht, wo sie ist!«
»Das ist gelogen!«, herrschte sie Taru an. »Du weißt viel mehr, als du zugibst!«
»Nein, das stimmt nicht! Ich weiß gar nichts!«
Für diese freche Antwort hätte ihr Taru am liebsten ins Gesicht geschlagen. Dabei trug Isana eigentlich weniger Schuld an alledem, als diese verdammte Arianrhod! Sie musste Isana verhext haben, anders war es einfach nicht zu erklären, dass ausgerechnet die Nichte Surkijas dieser falschen Schlange hinterherlief wie ein Küken ihrer Mutter. Und dass sie das selbst dann noch getan hatte, nachdem Arianrhod bereits das halbe Dorf vergiftet hatte – das war einfach unfassbar!
»Hör endlich auf mit deinem falschen Spiel!«, zischte er. »Wenn du zu der Drude hältst, bist du des Todes – genauso wie sie selbst!«
Isana wirkte jetzt weniger erschrocken, als er erwartet hatte. »Ich halte nicht zu ihr. Warum sollte ich auch? Sie hat mich auf ihrer Flucht niedergeschlagen …«, sie deutete mit der Hand auf ihre verletzte Gesichtshälfte, »und das, obwohl ich ihr auf Geheiß der Ältesten etwas zu essen gebracht hatte. Nein«, entschieden schüttelte sie den Kopf, »für mich gibt es nicht den geringsten Grund, diese falsche Hündin zu schonen.«
Taru zögerte. Isana wirkte durchaus aufrichtig, und trotzdem … sowohl seine Erfahrung mit ihr als auch sein Instinkt warnten ihn. Irgendetwas stimmte mit diesem Mädchen nicht. »Du musst ehrlich zu mir sein«, sagte er gepresst. »Verstehst du das? Denn wenn du das nicht bist …«
Er ließ den Satz unbeendet und klopfte stattdessen auf die Schleuder, die in seinem Waffengurt steckte – und mit der er auch noch auf zehn Schritte einen Vogel vom Baum schießen konnte, wenn das nötig war.
Isana beeilte sich zu nicken, und von dem dünnen Blutfaden, der nach wie vor aus ihrem Mundwinkel rann, spritzten
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