Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe
so sauber bearbeitet, dass kein Grat und kein Vorsprung zu sehen ist.« Taru blieb plötzlich stehen. »Soll das etwa der Faustkeil eines Riesen sein?«
Isanas Blick flackerte, dann blieb auch sie stehen und starrte in den gewaltigen Steinbruch hinein, der mit seinen hohen Wänden beeindruckende, atemberaubende Steinmonumente umschloss. Unmittelbar vor ihnen erhob sich ein Monolith, der ein wenig schief stand, als wäre er hastig dort abgesetzt worden. Seine Oberfläche war grau-schwarz und schien so sauber gehauen, dass kein Riss und kein Vorsprung zu erkennen waren. Wenn man aber genauer hinsah, erkannte man doch winzige Spuren der Witterung, die dem Stein in der Ewigkeit zugesetzt hatte, die er hier schon stehen mochte.
Isana fuhr mit der Hand über die Oberfläche. Sie fühlte sich kühl und glatt an. Aber nicht das war es, was sie die Hand erschrocken wieder zurückziehen ließ. Es war das leise Kribbeln in der Handfläche, das sie gespürt hatte, als wohne dem kalten Stein eine geheimnisvolle Magie inne, die sich schon durch eine leichte Berührung übertrug.
»Ich meine nicht den Stein, an dem du dir noch den Kopf einschlägst, wenn du hier so weiter herumhampelst«, blaffte Taru, »sondern den riesigen Keil am Ende des Tals.« Er zögerte kurz, bevor er dann aber weitersprach. »Ob es wirklich Riesen gibt, die einen solch gigantischen Keil mit der Hand umfassen können?«
»Riesen?« Isana wirkte unsicher. »Oder vielleicht doch eher … Götter?«
»Götter.« Taru warf ihr einen ärgerlichen Blick zu. »Welche Götter denn? Unsere – oder die des Volkes, das hier früher gelebt hat?«
Isana wand sich mit Unbehagen. Offensichtlich wusste sie nicht, was sie sagen sollte. Das ließ Tarus Misstrauen wieder erwachen. Was verschwieg ihm das Mädchen wohl?
»Also?«, setzte er nach. »Was weißt du über diese Götter, die die Steine hier hingesetzt haben sollen?«
»Ich weiß nicht«, antwortete sie ängstlich. »Es heißt, früher wohnte auf jedem Berg ein Gott …«
»Wieso früher?«
»Nun …«, Isanas Stimme zitterte ganz leicht, »ich bin kein Schamane. Aber jeder von uns … ich meine, wir haben doch alle die Geschichten über die alten Götter gehört. Und dass sie irgendwann der neuen Ordnung gewichen sind, als die Kälte wich …«
»Du meinst, als unsere Ahnen noch riesige Zottelkreaturen mit geschwungen Hörnern jagten, die auf Beinen durch Schnee und Eis stapften, die so dick wie Baumstämme waren.«
»Ja«, antwortete Isana. »Die Jäger hatten viele Namen für sie. Säulenbeine. Zottelhauer. Mammuts.«
»Mammuts?« Taru machte eine abfällige Handbewegung. »Ja, so hat man sie wohl auch genannt. Aber was haben die mit deinen Monolithen hier zu tun?«
»Vielleicht mehr, als wir glauben.« Isana fuhr, als er schon ärgerlich werden wollte, rasch fort. »Bestimmt hast du doch auch die alten Jäger davon sprechen hören, bevor wir aufbrachen. Sie wollten nicht nach Westen, sondern nach Osten. Um dort Mammuts zu jagen, so wie unsere Vorfahren. Angeblich soll es in der Gegend noch welche geben.«
Taru hätte beinahe laut aufgelacht. »Das sind doch nur dumme Jägergeschichten. Dass noch ein paar der alten Zottelhauer leben sollen, glaubt doch nicht mal mehr ein alter Schwätzer wie Kaarg. Nein, die Dickhäuter haben ein viel zu dickes Fell, um in der Wärme überleben zu können. Sie sind längst ausgestorben.«
»Vielleicht auch nicht«, widersprach Isana.
»Gewäsch«, sagte Taru abfällig.
Isana zuckte mit den Schultern. »Mammute, der Schnee, das Eis … und die alten Götter.«
Taru ahnte allmählich, was sie meinte … Es war der lange Atem der Ahnen, der ihm hier im Tal entgegenwehte, und der Geschichten mit sich trug, die längst vergessen sein mochten, und die doch dem ganzen Tal – und jedem einzelnen Stein und Felsen – anhafteten. Er hatte es schon gespürt, als sie sich dem Steinbruch genähert hatten, und Isana hatte ihm jetzt die Worte dafür gegeben.
Aber das hätte er niemals zugegeben. »Pass auf, was du sagst, Druden-Freundin«, herrschte er sie dagegen an. »Du kannst mich mit deinem dummen Gerede von den Zottelhauern und den alten Göttern nicht verwirren. Das hat doch nichts mit den Riesensteinen hier zu tun!«
»Ja, kann sein«, gab Isana kleinlaut zu. »Vielleicht hat das wirklich alles nichts miteinander zu tun. Aber ich will dir ja nur helfen!«
» Du willst mir helfen?«, polterte Taru. »Ausgerechnet du? Du würdest mich doch am liebsten mit einem
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