Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe
hatte, das sie aus der Nähe erkunden wollten.
Jedenfalls wäre es unklug gewesen, Torgon jetzt davon zu erzählen. Das hätte das Feuer seiner Empörung über Lexz’ unbedachtes Verhalten nur vollends entfacht. Auf der anderen Seite … vielleicht wäre es der dritte Fehler, wenn er seine Beobachtung jetzt verschwieg. Denn wenn er sich nicht getäuscht hatte, und tatsächlich ein Fremder dort gewesen war …
Bevor er eine Entscheidung treffen konnte, berührten ihn die ersten Tropfen des Regens, der sich die ganze Zeit über schon angekündigt hatte, und Torgon wandte sich ab und sah zurück in die Richtung, aus der sie gerade gekommen waren.
»Geht es jetzt endlich los?«, fragte Ekarna hoffnungsfroh und leckte sich einen Tropfen von den Lippen, kaum dass sie sich neben Torgon gegen einen Baum gelehnt hatte.
»Sieht ganz danach aus«, brummte Torgon. Er wandte sich wieder um, und Lexz schien es, als zögere er. Hatte er vielleicht auch etwas entdeckt … und war sich jetzt – genauso wie Lexz – unsicher, was für eine Art Leben sich in den Tiefen des Waldes verbergen mochte?
Torgon atmete tief aus und schüttelte den Kopf, als wolle er damit zugleich einen störenden Gedanken wegschütteln. »Regen ist ein gutes Zeichen. Der Schamane hat behauptet, dass die Luft voller Feuchtigkeit sein wird, sobald wir uns Urutark nähern.«
»Jedes Kind weiß, was uns Zakaan prophezeit hat.« Lexz ließ die Bäume nicht aus den Augen, zwischen denen er vorhin die Bewegung wahrgenommen zu haben glaubte. »Also lasst uns keine Zeit verschwenden. Suchen wir die beiden anderen – und dann nichts wie raus aus diesem Wald.« Er zögerte kurz, bevor er weitersprach. »Hier gefällt es mir nicht.«
»Mir auch nicht«, pflichtete ihm Ekarna bei. »Im Dickicht kann sich alles Mögliche verbergen. Und damit meine ich nicht unbedingt eine Fremde mit einer Himmelsscheibe.«
»Über die zu reden ohnehin nicht lohnt, weil sie sich bestimmt bei Dragosz findet, und nicht hier.« Torgon sah sich in allen Richtungen um. »Immerhin müssen wir Larkar nicht entgegengehen. Der klebt doch sowieso immer an Lexz’ Fersen. Er wird gleich hier sein.«
»Der klebt überhaupt nicht an meinen Fersen«, empörte sich Lexz. »Nur, weil wir beide schon so manchen Kampf gemeinsam ausgefochten haben …«
»Aber seit eurem letzten Kampf humpelt er doch ein bisschen, dein alter Kampfgefährte«, flüsterte Ekarna. »Und da fragt man sich, warum er uns überhaupt begleitet.«
Lexz spürte, wie erneut eine Welle puren Zorns in ihm hochstieg. »Willst du damit etwa sagen, dass Larkar ein Krüppel ist, Raubkatze?«
»Nenn mich nicht Raubkatze!«
»Warum denn nicht?«, gab Lexz zurück. »Das ist doch dein Beiname. So wie der Beiname von Larkar der Speer ist, und nicht der Krüppel …« Er trat einen Schritt auf das Mädchen zu. »Ich hoffe, das ist dir klar.«
Ekarna erwiderte seinen Blick, und wenn ihre Augen vor Empörung oder Wut gefunkelt hätten, so hätte Lexz das verstanden. Aber es war viel schlimmer. Ihre Augen waren voller Trauer. »Viele gute Männer sind gestorben, und damit sind die alten Regeln auch nicht mehr gültig«, sagte sie so leise, dass er sie kaum verstehen konnte. »Und nur deshalb hat Ragok der Bezwinger zugestimmt, dass Frauen und Krüppel auf einen Erkundungsgang mitgehen können. Aus keinem anderen Grund.«
Lexz öffnete den Mund, um ihr eine wütende Bemerkung entgegenzuschleudern – und schloss ihn dann wieder. Ekarna hatte ja recht. Sie hatten viele Opfer bringen müssen, und zahlreiche gute Männer und Frauen waren gestorben, nicht nur sein über alles geliebter Bruder. Jetzt durften sie nicht mehr wählerisch sein. In den alten Zeiten wäre es undenkbar gewesen, eine Frau auf einen Spähtrupp mitzunehmen – oder auch jemanden, der eine frische Verletzung noch nicht ausgeheilt hatte.
»Und wenn dir so viel an Larkar, dem Speer, liegt«, fuhr Ekarna unbarmherzig fort, »dann solltest du demnächst auf ihn warten, statt wie ein angestochener Auerochse durch den Wald zu stürmen.«
Auch damit hatte sie recht, und diesmal spürte Lexz, wie seine Wut vollends zusammenbrach und etwas anderem Platz machte, für das er keine Worte hatte.
»Ich weiß nicht«, murmelte Torgon. »Ich kenne diese Gegend ja nicht – und ich bin auch keine Wälder mehr gewöhnt, in denen es vor Leben nur so wimmelt. Aber …«
Ekarna löste ihren Blick von Lexz und atmete tief durch, bevor sie sich umwandte und in die Richtung starrte, in
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