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Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Ackerbau.
    Zakaan war weit zurückgereist diesmal, und das gefiel ihm nicht. Er spürte, dass er besser nicht hier sein sollte. Der Tote mochte ein Vorfahre von ihm sein. Seine Wirklichkeit wurde jedoch von einer ganz anderen Umgebung geprägt als seine eigene, also von Umständen, die der Schamane nicht einmal ansatzweise verstehen konnte.
    Mit ruhigen Atemzügen und einer Rückbesinnung auf seine eigene Wirklichkeit versuchte sich Zakaan gegen das zu wehren, was er hier wahrnahm. Aber das wollte ihm nicht gelingen. Die Trance hatte ihn nicht nur wesentlich weiter zurückgeführt als jemals zuvor, sie gab ihm auch das Gefühl, einen Ort erreicht zu haben, an dem der Tod allgegenwärtig schien.
    Nicht nur einen beliebigen Ort, sondern einen Steinkreis. Die ungewöhnlich großen Monolithen waren von einer dünnen weißen Schicht bedeckt, was ihnen etwas ungewohnt Lichtes und Leichtes gab, so als wären sie weniger massiv, als sie es eigentlich sein sollten. Aber das war noch nicht alles: Der Schatten eines riesigen Vogels fiel auf das Grab, und als Zakaan erschrocken in seine Richtung blickte, glaubte er in die kalten Augen einer riesigen Krähe zu blicken, die anklagend auf ihn hinabstarrte.
    Schaudernd riss sich Zakaan von diesem Anblick los und starrte nach vorn.
    Die Männer und Frauen, die das frisch angelegte Grab umstanden, trugen Rentierfellmäntel und Biberkappen. Sie sahen müde und erschöpft aus, und man sah ihnen die Strapazen an, in einer Umgebung überleben zu müssen, die eigentlich nicht für Menschen gemacht war.
    Der Kreis schließt sich, dachte der Schamane. Diese Menschen hier hatten fast den Kampf gegen die Kälte und das Eis verloren, so wie er selbst und Ragok denjenigen gegen die Hitze und das Feuer. Vielleicht war er an diesen Ort zurückgekehrt, weil es damals eine Zeit gewesen war, zu der alles hätte enden können, wenn sich mutige Männer und Frauen nicht gegen ihr Schicksal aufgelehnt hätten.
    Genauso wie jetzt.
    Einige der Menschen konnten sich kaum auf den Beinen halten, so erschöpft waren sie. Ihre Kleidung mochte zwar zweckmäßig und warm sein, aber sie machte auch einen erbärmlichen Eindruck: abgewetzt, an vielen Stellen kahl gescheuert. Als Schmuck trugen einige von ihnen allenfalls eine Kette aus Rentierzähnen oder mühsam bearbeiteten Knochenperlen, jedoch nichts aus Kupfer oder Bronze. Und trotzdem hatten sie sich die Mühe gemacht, in dem frostharten Boden ein Grab auszuheben und es mit Steinen auszukleiden. Das zeugte von großem Respekt gegenüber dem Toten.
    Vielleicht war es ein Mann wie Ragok gewesen. Jemand, der es verstand, auch unter den widrigsten Umständen immer noch einen Weg zu finden, auf dem es weiterging.
    Das war vielleicht auch eine Erklärung für die ungute Stimmung unter den Eiszeitjägern, die hier zusammengekommen waren, um ihrem verstorbenen Stammesfürsten die letzte Ehre zu erweisen: Sie wussten nicht, wie es jetzt weitergehen sollte.
    Zakaan versuchte die Eindrücke beiseitezuschieben, die ihn schon zu überwältigen drohten, um in seinen ganz eigenen Atemrhythmus zurückzufinden. Seitdem er ein kleines Kind gewesen war, war ihm das immer gelungen. Auch diesmal würde er es schaffen, dessen war er sich ganz sicher. Und trotzdem …
    Einer der Eiszeitjäger drehte sich zu ihm um – und schien ihn zu sehen. Zakaan erschrak. So etwas hatte es noch nie zuvor gegeben.
    Der Eiszeitjäger runzelte die buschigen Augenbrauen. Sein Blick begegnete dem Zakaans, und in seinen dunklen, fast schwarzen Augen funkelte etwas, das dem Schamanen gar nicht gefiel.
    »Was tust du hier?«, fragte der Mann.
    Zwar sprach er nicht seine Sprache, aber die Worte waren dem Schamanen verständlich. Langsam, ganz langsam nur kroch ein so eiskalter Hauch seinen Rücken hinauf, dass er jetzt nicht nur Kälte empfand, sondern sein Körper auch anfing zu zittern. Die Atemluft, die er ausstieß, bildete eisgraue Dunstwolken, die sich kaum auflösen wollten.
    Was geschah hier?
    Der Mann machte einen Schritt auf ihn zu. Zakaan hörte ganz deutlich das Gemurmel der Männer und Frauen um ihn herum, er hörte auch, wie der kalte Wind über das Land pfiff und sich in die Kleidung und in jede ungeschützte Körperstelle biss – und spürte sie dann selbst, die kalte Hand der Götter, die nichts und niemanden verschonte. Schon oft hatte der Schamane in Trance etwas vor sich gesehen, und zwar so klar, als wäre es tatsächlich vorhanden. Und schon oft war er in eine frühere Epoche

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