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Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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stürmte ihr entgegen.
    Lexz tat es gut, immer weiter und weiter zu gehen und sich gleichzeitig von Erinnerungen treiben zu lassen, die bislang vollständig in ihm verschüttet gewesen waren. Das Leben im alten Dorf lag so lange zurück, dass es ihm wie eine vollkommen andere Welt erschien. Jeder Schritt, der ihn auf den Spuren seiner Gefährten weiter am Ufer entlangführte, lenkte ihn auch tiefer in die Vergangenheit zurück.
    Es war ein so anderes Leben gewesen als jenes, das sie jetzt führten. Und es waren auch ganz andere Gefühle damit verknüpft. Dragosz war ihm immer wie ein strahlender Held erschienen, und die Art, wie er Problemen begegnete, hatte ihn beeindruckt. Es war die Mischung aus Leichtigkeit und Ernsthaftigkeit gewesen, die ihn angezogen hatte.
    Sein eigener Vater hatte dagegen etwas zu viel der Ernsthaftigkeit mitbekommen. Es geschah selten, dass er sich einmal ein Lächeln abgerungen hatte, selbst in den guten alten Zeiten.
    Dragosz hatte ihm so manches von seiner Reise in den Westen erzählt. Von Lea. Von dem Dorf, in dem sie lebte. Von dem Leben, das die Menschen dort führten. Aber auch von den Gefahren und Kämpfen. Von Goseg, dem alten Heiligtum, das unter dem strengen Regiment seines Hohepriesters zu neuer Blüte aufgestiegen war.
    Goseg, das Dorf der Flussschiffer, Lea, die Himmelsscheibe – all das hatte seine Phantasie angeregt. Aber nicht nur das.
    Er erreichte eine Stelle, an der der Bach in einem scharfen Bogen abknickte. Auf der anderen Seite stieg grauweißer, bröckeliger Fels auf, und hier hatte sich auch so etwas wie ein kleiner See herausgebildet.
    Es war die richtige Stelle, um sich niederzusetzen. Lexz verspürte einen Anflug schlechten Gewissens, weil er den Spuren der Hetzjagd nicht weiter folgte, die hier gestern Nacht stattgefunden hatte. Aber noch deutlich spürte er, wie wichtig es jetzt war, sich hier an diesen Ort zu setzen.
    Also ließ er sich am Ufer nieder und starrte ins Wasser. Da war noch eine andere Erinnerung in ihm, zart und zaghaft. Sein Blick wanderte über das leicht gekräuselte Wasser, das an einigen Stellen kleine Wirbel bildete, und er sah einen Schwarm winziger schwarzbrauner Fische, die an einer flachen Stelle gegen die Strömung ankämpften. Sehr lange war es her, dass er so etwas gesehen hatte. In ihrer Verzweiflung hatten sie während ihrer großen Wanderung auch brackiges und schmutziges Wasser getrunken. Dieses Wasser hier wirkte dagegen so klar und rein, wie Wasser nur sein konnte, und es sprudelte, gluckste und zischte dermaßen fröhlich, als gäbe es keine Schmerzen und kein Leid.
    Lexz befand sich in einer ganz ungewohnten Stimmung. Sein Vater, die alte Geierkralle, war weit weg, und auch der Schamane spielte in diesem Augenblick keine Rolle mehr für ihn. Er genoss die frische Waldluft und das fröhliche Spiel des Wasserlaufs vor sich, und dann spürte er, wie sich sein Atem wie von selbst mit dem seiner Umgebung verband.
    Dem Atem der Götter.
    Etwas anderes konnte es nicht sein.
    Dragosz hatte ihm von vielem erzählt, was er in der fremden Welt erlebt hatte. Vielleicht hatte er ihm sogar mehr berichtet als seinem eigenen Sohn Taru. Lexz hatte das alles aufgesogen wie ein ausgetrocknetes Stück Holz das Wasser. Aber da war auch etwas gewesen, das ihn noch mehr berührt hatte als alles andere.
    Arri.
    »Lea macht sich viele Gedanken um ihre Tochter«, hatte Dragosz gesagt. »Sie ist die einzige Überlebende ihres ganzen Volkes …«
    »Das eigentlich ein Teil unseres Volkes ist«, hatte Lexz damals eingewandt.
    Noch heute erinnerte sich Lexz an das kleine Lächeln, das Dragosz’ Mundwinkel bei diesem Einwand umspielt hatte.
    Dragosz hatte ihm recht gegeben. Aber mehr noch. Er hatte ihm mit wenigen Sätzen von dem fremden Mädchen erzählt, von der Tochter Leas, die Arianrhod hieß, von ihrer Mutter aber nur Arri genannt wurde.
    Ja. Nur ein paar Sätze waren es gewesen.
    Aber sie hatten sich in Lexz eingebrannt.
    In mondhellen Nächten, wenn er wieder mal wach gelegen hatte, hatte er immer an dieses fremde Mädchen denken müssen. An Arri. Mit der Zeit war sie ihm so vertraut geworden, als wenn sie mit ihm im gleichen Dorf lebte.
    Und merkwürdig: Während der großen Wanderung hatte er überhaupt nicht an sie gedacht. Doch jetzt, da er zum ersten Mal seit Langem wieder zu sich selbst fand, überkam ihn die Erinnerung an sie mit einer Wucht, der er nichts entgegenzusetzen hatte.
    Arri war ihm zu einer Vertrauen geworden, mit der er alle

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