Die Hintertreppe zum Quantensprung
Überraschungen ins Haus, denn die zusätzlichen Quarks heißen »charmant«, »seltsam«, »oben« und »unten«. Es gibt also neben den u- und d-Quarks noch c-, s-, t- und b-Quarks, wobei die Buchstaben englische Wörter abkürzen – charm , strange , top und bottom . Aber auch damit hat das grausame Spiel noch kein Ende, denn wie sich herausstellte, tragen die Quarks neben ihrer Masse nicht nur elektrische Ladungen mit sich herum. Sie zeichnen sich zudem noch durch eine andere Eigenschaft aus, der man den Namen »Farbladung« gegeben hat, obwohl es weder um Farbe noch um Ladung geht, wie wir sie kennen. Ein jedes Quark kann einen von drei Werten annehmen, die man als Rot, Grün und Blau bezeichnet. Und wenn das auch nichts mit den Farben unseres Alltags zu tun hat, so sind die Bezeichnungen doch so gewählt, dass wir damit etwas verstehen können. Denn wenn jemand mit einem Projektor rotes, grünes und blaues Licht auf eine Leinwand wirft, entsteht ein Fleck, den unser Auge als weiß empfindet. (Diese additive Farbmischung darf nicht mit der subtraktiven Mischung verwechselt werden, die bei Malfarben auftritt.) In der Physik kann man das Weiß als null deuten, und die Theorie, die das alles mathematisch sauber erfasst und deshalb Quantenfarbdynamik – oder Quantenchromodynamik – heißt, sagt voraus, dass Quarks nur farbneutral, also weiß, vorliegen können. Folglich ist es ihre Farbe, welche die Quarks an der Kette hält, um an das oben benutzte Bild anzuschließen, und so versteht man, wieso Quarks nicht einzeln in Erscheinung treten.
Die Konstruktion der Quarks
Nicht alle Physiker sind überzeugt, dass die Farben der Quarks wirklich vorhanden sind oder wirklich benötigt werden, um die Realität der atomaren Ebene zu erklären. Und die Quantenchromodynamik kämpft noch mit einer Menge Schwierigkeiten. Trotzdem faszinieren die Quarkteilchen. Sie haben auch Soziologen angelockt, die begreifen wollen, was es mit der Wirklichkeit von Objekten auf sich hat, die nicht als individuelle Teilchen fassbar sind. Sind die Quarks etwas, das es gibt und das entdeckt worden ist – durch Gell-Mann und andere? Oder sind die Quarks etwas, das erfunden worden ist – durch Gell-Mann und andere? Der Wissenschaftshistoriker Andrew Pickering hat dieser Frage in den 1980er-Jahren ein Buch mit dem Titel Constructing Quarks gewidmet, in dem er auf den allgemein gültigen, wenn auch oft übersehenen Tatbestand hinweist, dass Physiker kreative und damit aktiv konstruierende Menschen sind, die die Welt, welche real existiert, mit Din-gen verstehen, die es vielleicht nur in Lehrbüchern gibt. Tatsächlich hat Gell-Mann seine Quarks anfänglich als »rein mathematische Gebilde« betrachtet, wie Max Planck es bei seinem Quantum der Wirkung und den damit möglichen Quantensprüngen ebenfalls getan hat. Dann aber hat sich Gell-Mann entschlossen, sie als reale physikalische Teilchen zu deuten – eine Entscheidung, mit deren Folgen wir bis heute beschäftigt sind, auch wenn Gell-Mann selbst sich höheren Aufgaben zugewandt hat.
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Anton Zeilinger (*1945)
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Die Welt und unsere Informationen
»Ich bin nicht ein Anhänger des Konstruktivismus, sondern ein Anhänger der Kopenhagener Interpretation. Danach ist der quantenmechanische Zustand die Information, die wir über die Welt haben. Es stellt sich letztlich heraus, dass Information ein wesentlicher Grundbaustein der Welt ist. Wir müssen uns wohl von dem naiven Realismus, nach dem die Welt an sich existiert, ohne unser Zutun und unabhängig von unserer Beobachtung, irgendwann verabschieden.« So hat sich der aus Ried im Innkreis stammende Anton Zeilinger in den 1990er-Jahren in einem Interview geäußert, das im Internet zugänglich ist. Zeilinger arbeitet nach einigen Jahren in Innsbruck seit 1999 an der Universität Wien, und zwar als Universitätsprofessor für Physik wie es schön wuchtig in der Sprache seiner österreichischen Heimat heißt. Er kümmert sich sowohl um experimentelle als auch um theoretische Belange seines Fachs. Mit dem Gang in die Hauptstadt ist Zeilinger an den Ort zurückgekehrt, an dem er seine Studienzeit verbracht hat. Zuvor aber hat er noch im Januar des letzten Jahres vor Beginn des neuen Jahrhunderts einen fundamental wichtigen Artikel bei der Zeitung Foundations of Physics eingereicht. Zeilingers Aufsatz mit dem Titel »Ein Grundlagenprinzip für die Quantenmechanik« verspricht, ein ebensolches vorzustellen, und seine maßgebliche Idee klingt so
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