Die Hintertreppe zum Quantensprung
Condon. Mit ihm kooperierte Franck, und beide ersannen das Franck-Condon-Prinzip, das von Zuständen handelt, die Moleküle annehmen bzw. zwischen denen sie wechseln können.
Atome ändern ihren Zustand, wenn ihre Elektronen Energie aufnehmen oder abgeben. Im Gegensatz dazu stehen Molekülen mehr Möglichkeiten zur Verfügung. In ihnen können neben den elektronischen Änderungen noch Vibrationen, Schwingungen oder Drehungen (Rotationen) auftreten, und all dies mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit. Das Franck-Condon-Prinzip bringt nun Ordnung in diese Zufälligkeit, indem es die Tatsache ausnutzt, dass Elektronen, die ihren Zustand in einem Molekül ändern, dies sehr viel schneller tun können als die Atomkerne, zu denen sie gehören. Die schweren Kerne agieren träger als die nahezu gewichtslosen Träger der negativen Ladung, und dies lässt bestimmte elektronische Zustandsänderungen im Molekül häufi ger stattfinden als andere. Das Franck-Condon-Prinzip erfasst diese Zustandsänderungen jetzt erstmals in der Sprache der Mathematik, was es fortan erlaubt, die Übergänge mit den dazugehörigen Intensitäten zu berechnen.
Das Ende einer Kultur
Bekanntlich reichte die große Zeit der deutschen Physik nur bis zum Beginn der 1930er-Jahre, denn von 1933 an übernahmen Barbaren das Kommando, die fast die ganze Kultur, die mit dem Namen Deutschlands verbunden war, ruinierten. Als die Nationalsozialisten an der Macht waren, gab Franck am 17. April 1933 aus Protest gegen das judenfeindliche »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« sein Amt als Professor auf und emigrierte in die USA. Über Baltimore kam er nach einem Zwischenstopp in Kopenhagen nach Chicago, wo er von 1938 bis 1949 als Professor für Physikalische Chemie lehren und forschen konnte. Der genannte Zeitraum beinhaltet die Jahre des Zweiten Weltkriegs, sodass es wenig überrascht, dass sich Franck – nachdem er amerikanischer Staatsbürger geworden war – an den Arbeiten beteiligte, die zur Gewinnung von kernwaffenfähigen Elementen wie Plutonium dienten. Doch bereits vor Ende des Zweiten Weltkriegs erkannten Franck und andere Wissenschaftler, dass die Angst vor einer deutschen Atombombe unbegründet war. Folglich gab es auch keinen Grund, die eigene Konstruktion zur Explosion zu bringen. Vielmehr versuchte man, ihren Abwurf zu verhindern. Im Juli 1945 wurde das Dokument vorgelegt, das als Franck-Report dem US-Verteidigungsminister übergeben wurde und heute im Internet öffentlich einsehbar ist. Die Autoren weisen darin darauf hin, dass die USA bei einem Einsatz von Kernwaffen die Anerkennung der übrigen Welt verlieren und ein Wettrüsten einleiten würden. Die Warnung war bekanntlich vergebens.
»Aufrecht im Sturm der Zeit«
Die 2007 erschienene James-Franck-Biografi e von Jost Lemmerich trägt den ungewöhnlichen Titel Aufrecht im Sturm der Zeit . Damit erfasst der Autor jedoch einen bewundernswerten Charakterzug des Physikers, der seine wissenschaftliche Neugierde schon früh zu erkennen gab. So wird erzählt, dass Franck 1896 als 14-jähriger Knabe bei dem Physikalischen Eichamt seiner Heimatstadt vorsprach und sich nach einer Apparatur für Röntgenstrahlen erkundigte. Er hatte etwas von den erst im Jahr zuvor entdeckten neuen Strahlen gelesen, die damals noch X-Strahlen hießen, und wollte wissen, ob man damit prüfen könne, ob die Knochen an seinem Arm richtig zusammenwachsen würden, die er sich bei einem Unfall gebrochen hatte. Die Herren im Amt staunten zwar, fanden die Bitte aber angemessen, bauten die Röntgenapparatur zusammen und nahmen ein entsprechendes Bild des zwar gebrochenen, aber versorgten Arms auf. So kam die Hansestadt zu ihrer ersten Röntgenaufnahme, und alles war in Ordnung.
Längst nicht mehr in Ordnung war die Welt 1940, als deutsche Truppen unter anderem in Kopenhagen einmarschierten, was große und kleine Folgen hatte. Wir betrachten eine kleine, die damit zu tun hat, dass am Institut für Physik der dänischen Hauptstadt ein ungarischer Chemiker namens George de Hevesy den Vorschlag machte, die dort verwahrten goldenen Nobelpreismedaillen vor dem Zugriff der Besatzer zu schützen, indem man sie in Königswasser auflöste. Zur Erklärung: Das schöne Wort bezeichnet eine Mischung aus drei ätzenden Säuren. Eine dieser Medaillen gehörte Franck, der sie den Dänen zuvor aus dem gleichen Grund anvertraut hatte, nämlich um sie dem gierigen Zugriff der Nazis zu entziehen. Franck war einverstanden, und
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