Die Hintertreppe zum Quantensprung
befindet sich ein Loch, durch das Licht eintreten kann, und der Physiker hat die Möglichkeit, mit höchster Genauigkeit die Stelle zu ermitteln, an der es die gegenüberliegende Wand erreicht.
In einem anderen großen Gedankenexperiment wollte Einstein 1935 gemeinsam mit dem Russen Boris Podolsky und dem Amerikaner Nathan Rosen zeigen, dass die Quantenmechanik unvollständig ist. Ein halbes Jahrhundert später haben es theoretische und technische Fortschritte der Physik ermöglicht, das sogenannte EPR-Experiment tatsächlich durchzuführen. Das Ergebnis hätte Einstein nicht gefallen. Es zeigt, dass die Wirklichkeit anders ist, als er es sich vorstellte bzw. vorstellen wollte. Das EPR-Team dachte sich unter Anleitung von Einstein einen Versuch aus, in dem eine physikalische Größe auftaucht, die auf der einen Seite offenbar in der Wirklichkeit bestimmt ist, von der die Quantenmechanik aber auf der anderen Seite behauptet, dass sie unbestimmt ist. In dem heute durchführbaren Versuch wird aus Kalzium ein Gas bereitet, von dem aus sich einzelne Atome auf eine Kammer zubewegen. Bevor die Kalziumatome hier ankommen, werden sie von einem Laserstrahl aktiviert. In diesem angeregten Zustand treffen sie in der Kammer ein. Hier verlieren sie diese Energie blitzartig wieder, indem sie zwei Lichtquanten in entgegengesetzte Richtungen aussenden. Wenn nun eines der beiden Lichtteilchen in einem Messgerät registriert wird, kennt man auch – aufgrund von physikalischen Erhaltungssätzen – den Zustand des anderen. Sein Zustand, so die EPR-Argumentation, ist also nicht unbestimmt, selbst wenn keine Beobachtung erfolgt. Er kann sogar mit Sicherheit vorhergesagt werden und stellt folglich »ein Element der Wirklichkeit« dar. Ein solcher Tatsachenbestand ist aber in der Defi nition der Quantenmechanik nicht enthalten, weshalb Bohrs Behauptung falsch zu sein scheint, wonach ein Zustand so lang unbestimmt ist, solange er nicht registriert worden ist.
Nach Jahrzehnten des Denkens und Messens stellte sich allerdings heraus, dass Einsteins einleuchtende Gedankenführung nicht zutrifft, wie noch ausführlich auf höheren Stufen dieser Hintertreppe erläutert wird. Sie wird vor allem dann hinfällig, wenn es gilt, den rothaarigen Iren John Bell vorzustellen, der sich in den 1960er-Jahren Gedanken zum EPR-Experiment gemacht hat. Bell legt dar, dass das nicht beobachtete Teilchen doch durch die Messung seines Gegenstücks beeinflusst wird. Die Quantenmechanik bringt es nämlich mit sich, dass Objekte wie die erwähnten Lichtquanten, die einmal in physikalischer Wechselwirkung gestanden sind, miteinander korreliert bleiben, auch wenn keine direkte (physikalische) Verknüpfung mehr zwischen ihnen besteht. Die Physiker sprechen bei diesem Phänomen davon, dass die Quantenwelt »verschränkt« ist, wie es mit einem Wort von Erwin Schrödinger heißt. Und sie halten diese Verschränkung für das eigentliche Charakteristikum der Quantenmechanik, denn sie gibt uns eine Welt zu erkennen, die nur als Ganzes existiert, obwohl wir dauernd von ihren Teilen oder Teilchen reden.
Bose-Einstein-Kondensation
In den letzten Jahren ist in der Physik viel von Bose-Einstein-Kondensationen die Rede gewesen, deren Entdeckung 2001 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden ist. Bose steht dabei für den Namen eines indischen Physikers, von dem Einstein 1924 ein Manuskript bekam. In ihm behandelte Bose Licht wie ein Gas, das sich aus den Lichtquanten zusammensetzte, die Einstein 1905 entdeckt hatte. Zwar konnte Bose in seiner Arbeit unter dieser Vorgabe ausrechnen, wie leuchtende Körper ihre Strahlen aussenden, aber Einstein fiel auf, dass Bose gar nicht gemerkt hatte, welch hohen Preis er dafür zu zahlen hatte. Seine Physik funktioniert nämlich nur unter der Annahme, dass Lichtteilchen ihre Identität aufgeben. Zwischen ihnen gibt es eine »gegenseitige Beeinflussung von vorläufig ganz rätselhafter Art«, wie Einstein damals schrieb. Sie führt überhaupt erst zu der Möglichkeit, dass sich immense Mengen von Lichtquanten kollektiv in einem Lichtstrahl zusammenfinden und es hell machen können. Inzwischen hat man andere Systeme gefunden, in denen einzelne Atome ihre Individualität aufgeben, um einen kollektiven Klumpen zu bilden, der als Bose-Einstein-Kondensat bekannt ist. Was Einstein sich da ausgedacht hat, ist also Wirklichkeit geworden, auch wenn es ihn mehr wundern als freuen würde.
Einstein und die Atombombe
Die Kurzformel, Einstein habe
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