Die Hintertreppe zum Quantensprung
so löste man das Gold auf – aber nur, um es nach dem Krieg in gelöster Form nach Stockholm zu schicken mit der Bitte, die Medaillen neu anzufertigen. Dies wurde erledigt.
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Max Born (1882–1970)
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Vom Triumph des Verstandes und dem Versagen der Vernunft
Am Beispiel von Max Born kann man zwei eklatante Schwächen der Art und Weise erkennen, wie in Deutschland gerne mit Kultur umgegangen wird. Zum einen haben wir in Born zweifellos einen großer Forscher vor uns – immerhin hat er 1954 den Nobelpreis für Physik erhalten, und das sogar für eine mutige und ihm allein anrechenbare Leistung –, aber noch erheblich mehr Eindruck und Wirkung konnte Born als Lehrer entfalten. Doch das bringt hierzulande immer noch wenig öffentliche Anerkennung, wie auch das Beispiel von Arnold Sommerfeld zeigt. Aus dieser abschätzigen Einordnung folgt die zweite Schwäche im Umgang mit großer Geisteskultur: Deutschsprachige Wissenschaftshistoriker kümmern sich nicht um die Person Max Born. Jedenfalls haben sie es bis heute nicht für nötig gehalten, eine Biografi e des bedeutenden Physikers und einfl ussreichen Lehrers zu verfassen. Die einzige buchlange Beschreibung des Lebens von Born verdanken wir Nancy T. Greenspan, einer amerikanischen Ökonomin (!), die uns im Jahre 2005 mit einem Werk über »the life and science of Max Born« überraschen konnte, dem sie den schönen Titel The End of The Certain World gegeben hat – das Ende einer Welt, in der es noch Gewissheit gab. Die deutsche Übersetzung (2006 erschienen) wagt sich weder an diese Formulierung heran, noch will sie den deutschen Lesern den englischen Untertitel zumuten: The Nobel Physicist Who Ignited the Quantum Revolution , also etwa der Nobelpreisträger, der die Quantenrevolution gezündet hat. Stattdessen verbirgt sie die Qualität des Helden hinter einem schlichten Baumeister der Quantenwelt , der Born natürlich auch gewesen ist.
Im Schatten von Riesen
Bevor wir zu einigen biografischen Daten kommen, soll noch einmal überlegt werden, was Born bei Historikern und in der Öffentlichkeit so leicht überseh- und übergehbar macht. Man könnte – neben dem erwähnten Aspekt, dass Lehre bei uns stets geringer als Forschung angesehen wird – noch darauf hinweisen, dass Born nicht nur im Schatten von wahrlichen Geistesgrößen stand, sondern darüber hinaus bereit war, dies auch neidlos anzuerkennen. Sein Ehrgeiz bestand vielmehr darin, sich sogleich an die Aufgabe zu machen, die von den Wissenschaftsriesen vorgelegten Einsichten unters Volk zu bringen. Wenn wir die beiden großen Errungenschaften der Physik als die Relativitätstheorie und die Quantenmechanik anführen und diese beiden Neuerungen mit den Namen von Albert Einstein und Werner Heisenberg verbinden, dann lässt sich sagen, dass Born jeweils am Rande des hellen Lichts, das beide ausgestrahlt haben, große Leistungen erbracht hat. Er konnte zum einen Einsteins komplizierter Relativitätstheorie eine lehrbare Form geben, und vermochte es zum zweiten, Heisenbergs genialen Durchbruch bei den Quanten in ein mathematisches Gewand zu kleiden. Dieses wird bis heute in den Lehrbüchern der Physik präsentiert – nur dass Borns Name dabei nicht genannt zu werden pflegt. Sogar von den Leuten, die in Schweden in Sachen Nobelpreis das Sagen haben, wurde Max Born zunächst übersehen. Obwohl die Theorie der Quantensprünge, wie wir sie heute kennen und lehren, 1925 von drei Herren niedergeschrieben wurde – neben Born und Heisenberg war noch Pascual Jordan an der sogenannten Drei-Männer-Arbeit beteiligt –, hat zunächst nur einer von ihnen, nämlich Heisenberg, die Einladung nach Stockholm und den dazugehörigen Nobelpreis bekommen. Es gibt gute Gründe, dem Genie Heisenberg eine Sonderrolle zuzugestehen, und sein Lehrer Born wäre der Letzte gewesen, der dies geleugnet hätte, aber es muss schon eine schmerzhafte Enttäuschung gewesen sein, als man 1930 Heisenberg zunächst alleine auszeichnete. Zum Glück lebte Born lange genug, um als 72-Jähriger endlich die Würdigung zu erfahren, die er sich so lange verdient hatte. Er erhielt sie für seine Interpretation der Quantenmechanik, die noch vorzustellen sein wird.
Zur Biografie
Max Born wurde 1882 in Breslau geboren und starb 1970 in Bad Pyrmont. Seine ersten Studiensemester in den mathematischen und naturwissenschaftlichen Fächern verbrachte Born in seiner Heimatstadt, bevor er nach Heidelberg, Zü-rich und Göttingen aufbrach, um hier die großen
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