Die Hintertreppe zum Quantensprung
dass mit diesem Trio der Betazerfall nicht zu erklären war, weshalb er vorschlug, die beobachtete Instabilität auf die Wirkung einer vierten Kraft zurückzuführen, die etwas anderes tun sollte als die Wechselwirkungen, die man bis dahin kannte. Fermis »schwache Kernkraft« sollte die Dinge nicht stabilisieren, sie sollte sie vielmehr lockern und ihnen die Möglichkeit des Umwandelns geben, was ja auch zu den natürlichen Prozessen gehört. Zwar galt der Gedanke als wahnsinnig und revolutionär, aber an diese instabile Situation war man in Physikerkreisen schon gewöhnt, und bald erwies sich Fermis Idee als wegweisend. Die schwache Kernkraft bildet mit den anderen drei ein Viererschema bzw. Quartett, das modern und archaisch zugleich ist. Die Antike erklärte die Welt durch vier Elemente – Feuer, Erde, Wasser, Luft –, die Moderne erklärt sie durch vier Wechselwirkungen (denen wir heute noch vier Elementarteilchen hinzufügen).
Die vier Wechselwirkungen der Physik
Art der
Wirkteilchen
Auswirkung
Wechselwirkung
Starke
Gluonen
hält Atomkern
Wechselwirkung
zusammen
Elektromagnetismus
Photon
hält u.a. Stoffe
zusammen
Schwache
Bosonen
sorgt für Atom
Wechselwirkung
zerfall
Gravitation
Graviton
hält Weltall
zusammen
Die Physik kennt insgesamt vier Wechselwirkungen, die in der Tabelle aufgeführt sind. Laien wissen auf jeden Fall von der (Schwerkraft) und den Anziehungskräften, die mit elektrischen Ladungen und Magneten verbunden sind. Um einen Atomkern zusammenzuhalten, setzt die Natur das ein, was Physiker starke Wechselwirkung nennen können, weil es noch das schwache Gegenstück gibt, das die Dinge ein wenig locker macht.
Zu den Kräften gehören im Verständnis der Wissenschaft besondere Wirkteilchen, da man sich vorstellt, dass eine Wechselwirkung zwischen (realen) Teilchen durch den Austausch von (eher virtuellen) Partikeln zustande kommt; diese Wirkteilchen werden unterschiedlich und wenig elegant benannt – zum Beispiel als Gluonen, was vom englischen Wort to glue (deutsch: kleben) kommt. Um sich die Entstehung einer Wechselwirkung durch einen Austausch vorstellen zu können, sollte man an zwei Menschen denken, die Federball spielen oder sich ein Frisbee zuwerfen und durch das Spiel »zusammenkleben«. Man kann sich aber auch zwei Menschen vorstellen, die Argumente austauschen. Vielleicht beginnt ja die Kultur des Dialogs im Innersten der Welt?
Für die schwache und die starke Wechselwirkung jedenfalls, deren Reichweite so begrenzt ist, dass sie nur im Zenmehrere Spielbälle, wenn wir in diesem Bild bleiben wollen. Für die Kräfte, die über das Atom hinausgehen und sozusagen in die Welt hineinreichen, genügt jeweils ein Spielball. Das Graviton für die Schwerkraft ist dabei allerdings bislang noch jeder experimentellen Falle entkommen.
Praktische Kernphysik
Fermis überragende praktische Leistung kommt in den Jahren des Zweiten Weltkriegs zustande. Hier muss man tatsächlich von einer Errungenschaft sprechen, die nicht nur für das Fach Physik historisch ist, sondern die Geschichte unserer Zivilisation maßgeblich beeinflusst. Am 2. Dezember 1942 – und zwar um 15.25 Uhr Ortszeit – gelingt es Fermi in einem Kernreaktor der Universität von Chicago, der unter dem Stadion des Footballteams gebaut worden ist, unter sicher dramatischen Umständen, die erste kontrollierte Kettenreaktion durchzuführen. Es ist wohl überfl üssig zu erwähnen, dass dieser Erfolg den Physikern sofort klarmacht, dass sich mit dem gleichen Mechanismus eine Atombombe bauen lässt, bei der man eine unkontrollierte Kettenreaktion ablaufen lassen kann. Fermis erster »Atommeiler«
– ein Ausdruck, der von ihm selbst stammt – bestand aus 18 Tonnen Graphitziegel, zwischen denen sich sogenannte Regelstäbe aus Cadmium befanden, mit denen die Kettenreaktion zu steuern war. Als nuklearer Brennstoff diente reines Uran bzw. Uranoxid. Am 2. Dezember entfernte Fermi die Regelstäbe, und der Meiler produzierte die Kernenergie, die die Physiker von ihm erwarteten.
Die Idee der Kettenreaktion geht ursprünglich auf den ungarischen Physiker Leo Szilard zurück, dem sie in Verbindung mit der ersten Beobachtung der Uranspaltung – 1938 in Berlin – gekommen ist. Die Überlegung geht etwa so: Wenn ein Neutron einen Atomkern so spaltet, dass dabei nicht nur kleinere Kernbruchstücke entstehen, sondern auch Neutronen frei werden, und wenn es außerdem gelingt, diese im Prozess erzeugten Neutronen erneut auf Atomkerne zu
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