Die Hintertreppe zum Quantensprung
an welchem Ort sie sich aufhalten können. Die atomaren Bausteine, die hierfür infrage kommen – zum Beispiel Elektronen – werden heute unter dem Sammelbegriff »Fermionen« gefasst. Sie unterliegen dem, was die Physiker Fermi-Dirac-Statistik nennen (der zweite Name weist auf den Engländer hin, dem das nächste Kapitel gewidmet ist). Fermionen zeigen sich als individuelle Mitglieder der Quantenwelt, das heißt, sie nehmen unverwechselbare Eigenschaften an. Ihnen stehen die sogenannten Bosonen gegenüber, die gerne in Massen auftauchen und alle zum Verwechseln sind, weil sie identisch agieren. Für sie gilt eine Bose-Einstein-Statistik, an deren Ableitung neben dem bekannten Physiker noch der Inder Satyendranath Bose beteiligt war.
Das Bedürfnis von Fermionen, möglichst für sich zu bleiben, kann natürlich nur im Rahmen der allgemeinen Gesetze erfolgen, die in Richtung auf einen Grundzustand mit möglichst niedriger Energie drängen. Daraus folgt, dass sich Fermionen in einem physikalischen System so dicht wie möglich um die Mitte des Objektes drängen, das sie ausmachen, und danach scharfe Übergänge erfolgen. Man spricht von einer Fermi-Kante, die durch eine Fermi-Energie gekennzeichnet ist, die einer Fermi-Temperatur entspricht, wobei wir die Aufzählung der nach ihm benannten physikalisch relevanten Begriffe an dieser Stelle beenden wollen, sobald wir noch das Fermi-Gas hinzugefügt haben, das ein System aus Fermionen ist, die keine Wechselwirkung miteinander eingehen. So einfach sich dieses letztgenannte Konzept anhört, so erfolgreich wirkt es in der Physik, weil mit seiner Hilfe nicht nur beschrieben werden kann, wie sich Elektronen in Metallen oder Neutronen in Atomkernen verhalten. Mit einem Fermi-Gas kann auch erfasst werden, was Neutronen in einem Stern machen, der nur aus ihresgleichen besteht und deshalb Neutronenstern heißt. Solch ein Gebilde entsteht, wenn unter dem hohen Druck der Schwerkraft die Elektronen eines Atoms in den Kern gezwungen werden und mit Protonen zu Neutronen fusionieren.
Fermi-Fragen
Obwohl immer beklagt worden ist, dass Fermi außerhalb der Physik nur wenige Interessen entwickelte – zum Beispiel äußerte er sich nie zu den philosophischen Fragen der Quantensprünge –, gibt es trotzdem eine Wortkombination mit seinem Namen, die auch für Menschen verlockend ist, die auf seinem angestammten Terrain einer mathematisch erklärenden Physik Mühe haben. Gemeint sind die Fermi-Fragen bzw. die Fermi-Probleme, die dazu dienen, so über etwas nachzudenken, dass eine quantitative Antwort möglich wird, selbst wenn keine Daten zu diesem Zweck verfügbar sind.
In dem klassischen Beispiel einer Fermi-Frage will jemand wissen, wie viele Klavierstimmer es in Chicago gibt – vielleicht um zu entscheiden, ob dies ein lohnenswerter Beruf sein könnte.
Fermi löste die Frage so: Also, in Chicago gibt es drei Millionen Einwohner, von denen je zwei in einem Haushalt leben. Jeder 20. Haushalt verfügt über ein Klavier, das regelmäßig gestimmt wird, und zwar zweimal im Jahr. Wenn es zwei Stunden dauert, um ein Klavier zu stimmen (An- und Abreise eingeschlossen), wenn ein Klavierstimmer acht Stunden am Tag, fünf Tage in der Woche und 40 Wochen pro Jahr arbeitet, dann (murmel, murmel, murmel, rechne, rechne, rechne) müsste es 100 Klavierstimmer in Chicago geben, wenn alle zu tun haben und keinen Leerlauf beklagen. Jetzt kann man nachsehen, wie viele es tatsächlich gibt, um anschließend zu wissen, ob es sich lohnt, den Beruf zu ergreifen.
Andere Fermi-Fragen lauten: Wie viele Gummibärchen passen in einen Bus? Wie viele Gebäude gibt es in den USA? Wie viele Schneeflocken braucht es für einen Schneemann? Wie viele Bäume wachsen in Europa? Und es lohnt sich, ein einfaches Schema – wie oben vorgeführt – mit simplen Annahmen als Antwort zu durchdenken.
Die berühmteste Fermi-Frage ist inzwischen als Fermi-Paradoxon bekannt geworden. Sie hat mit der Wahrscheinlichkeit zu tun, dass es außerirdisches (intelligentes) Leben gibt, ein Thema, über das viele Physiker um 1950 stritten. Fermis Frage lautete schlicht: Wenn es diese intelligenten Zivilisationen außerhalb der Erde gibt, wo sind sie? Warum sind sie immer noch nicht hier? Als Paradoxon formuliert: Der Glaube, es gebe viele außerirdische Zivilisationen, steht im Widerspruch zu unseren Beobachtungen und Annahmen. Die Frage, was man macht, wenn es Außerirdische tatsächlich gibt und sie bei uns auftauchen, stammt nicht
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