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Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis

Titel: Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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abgebissen. Der Gedanke summte in Kyras Kopf wie eine gefangene Wespe. Es konnte nicht sein. Sie konnte sich an nichts erinnern. Bestimmt wollten die Jungs sie nur verarschen.
    Sie starrte auf den Bildschirm. Wie zu erwarten, war die Pressekonferenz völlig für die Katz gewesen. Bullen-Schulz, der sturste aller sturen Polizeisprecher, hatte wieder einmal sein Lieblingsspiel, »Ich weiß etwas, was ihr nicht wisst«, gespielt. Immerhin war aus gut bezahlter - und damit hinreichend verlässlicher - anderer grüner Quelle durchgesickert, dass Erika Konrad ihren Mann nicht nur geköpft, sondern anschließend auch noch wie eine Besessene den Tatort geputzt hatte. Wenn Frauen zu sehr morden...
    Kyra klemmte sich eine Zigarette in den Mund und legte los. So zügig es mit drei angeknacksten Fingern ging, hackte sie die Gräuelgeschichte um ein betrogenes Eheweib, einen geköpften Zeitungsmogul und eine große Flasche Ajax in den Computer.
    Es klopfte.
    »Jaha«, brummte Kyra, ohne vom Bildschirm aufzublicken. Sie drehte sich erst um, als hinter ihr eine vertraute Stimme losgrantelte.
    »Wenn du das nächste Mal abhaust, kannst du mir wenigstens -« Franz blieb der Rest des Satzes im Halse stecken. »Jessasmarantjosef, was, was ist passiert?«
    »Der alten Konrad ist die Sicherung durchgebrannt.«
    Franz kam hastig auf sie zu. »Ich will wissen, was dir passiert ist.«
    »Das ist jetzt nicht so wichtig. Aber ist es nicht vollkommen unfassbar, dass -«
    »Kyra, sag mir auf der Stelle, wer das getan hat.« Er blieb vor ihr stehen, unentschlossen, ob er die Frau mit dem lila-blau-grünen Gesicht, in dem ein halber Schneidezahn fehlte, anfassen durfte oder nicht.
    »Willst du großer Bruder spielen und dem Kerl eins auf
die Nase hauen?« Kyra musterte den ein Meter siebzig kurzen Mann und grinste. »Würd ich dir von abraten.«
    »Welches Schwein war das?« Franz senkte seinen Schädel, als wolle er ihn dem unbekannten Schwein auf der Stelle in den Bauch rammen.
    »Hör mal zu.« Kyra tippte ihm mit ihrem bandagierten Fingerpaket vor die Brust. »Man hat nicht jeden Tag die ebenso hehre wie heikle Aufgabe, einen Artikel darüber zu schreiben, wie der eigene Chefredakteur von seiner Gattin geköpft wurde. Wieso gehst du nicht an deinen Schreibtisch zurück, rezensierst brav deine Elektra zu Ende und holst mich in einer Stunde zum Mittagessen ab. Dann können wir über alles reden.«
    »Kyra, ich -«
    Sie hatte ihm längst wieder den Rücken zugedreht. »In einer Stunde.«
     
    Das Ding vom Grunde des Sees war geborgen. Schlammtriefend lag es auf der Plane, die zwei Polizeibeamte am Ufer ausgebreitet hatten.
    Erika Konrad blinzelte gegen die steile Mittagssonne. Sie musste verrückt geworden sein. Umstandslos geradeheraus himmelschreiend verrückt. Sie konnte das Ding zwar nicht sehen, aber sie hatte die Rufe der Polizisten gehört. Sie hatten den Kopf gefunden. Sie hatten den Kopf im Grunewaldsee gefunden.
    Die Baumkronen über ihr begannen sich zu drehen. Schneller. Und immer schneller. Erika Konrad musste lachen. Feuerkreis, dreh dich. Feuerkreis, dreh dich. Sie tanzte und lachte, wie sie als kleines Mädchen getanzt und gelacht hatte. Sie trug keine Handschellen mehr. Sie war nicht mehr an die stinkende, schwitzende Polizistin gekettet. Sie war frei. Niemand konnte ihr mehr etwas anhaben. Auch nicht das Fallbeil, das jetzt herabsauste, die Sonne auslöschte und einen Sternenhimmel explodieren ließ.

    Erika Konrad schrie auf und sank in Ohnmacht.
    Die Beamtin warf einen Blick zu den Kollegen und Vorgesetzten, die sich unten am Seeufer versammelt hatten. Keiner hatte etwas gesehen. Sie hängte den Schlagstock an den Gürtel zurück und ging in die Knie, um die Frau zu untersuchen, die noch immer mit ihrem schlaffen rechten Handgelenk an sie gefesselt war.
    Schweigend standen die Polizisten um die Plane herum.
    »Scheiße«, sagte Heinrich Priesske und sprach damit aus, was alle dachten. »Scheiße.« Auch wenn der Kopf, der vor ihnen lag, so zerfressen und aufgeschwemmt war, dass sich keine genaueren Züge mehr erkennen ließen, war eines klar: Es war der Kopf einer Frau.
     
    Kyra stach ihre Gabel in den Pfifferling, der sich unter einem welken Salatblatt versteckt hatte. Gestern Nacht hatte sie die Finger auf dem Mullbett schick gefunden, jetzt begann sie die ewige Linkshänderei zu nerven. »Franz, wie du siehst, bin ich aber noch am Leben. Und wenn du mir noch einmal sagst, dass ich den Crime-Scheiß lassen und ins

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