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Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis

Titel: Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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Leid.« Ihre hellen Augen schimmerten. »Warum bin ich nur so schrecklich ungeschickt. Ich wollte den Stock doch nur dem Hund da zuwerfen.« Sie schluchzte.

    Der alte Mann setzte sich schwerfällig auf. »Na, nun weinen Sie mal nicht, Kindchen. Es ist ja nichts passiert.« Er klopfte sich ein paar trockene Blätter vom Mantel.
    Ihr Herz schlug schneller. Er war wirklich ein außergewöhnlich feiner alter Herr. Sie heulte heftiger. »Sind Sie auch ganz sicher? Und wenn Sie sich nun doch etwas gebrochen haben?« Sie zog das Wasser in der Nase hoch und schaute ihn an. »Meinen Sie, Sie können aufstehen? Warten Sie, hier, nehmen Sie Ihren Stock. Aber ganz, ganz vorsichtig.«
    »Ist was passiert?« Zwei ältere Damen mit Pudel blieben neugierig stehen.
    Sie warf ihnen einen bösen Blick über die Schulter zu. »Gehen Sie weiter. Hier gibt es nichts zu gucken.«
    Atemlos verfolgte sie, wie ihr Homberg sich mit beiden Armen auf seinen Stock stützte und aufzustehen versuchte.
    »Es ginge wohl besser, wenn Sie mir ein wenig helfen würden«, keuchte er.
    »Ich denke, das ist nicht so gut. Wir sollten lieber sehen, ob Sie allein hochkommen. Dann können wir sicher sein, dass Sie sich nichts gebrochen haben.«
    Der alte Mann schaute sie erstaunt an, widersprach aber nicht. Seine altersfleckigen Hände, seine dürren Arme, sein blanker Kopf, sein langer weißer Bart, alles an ihm zitterte, als er sich mühsam in die Höhe hievte. Jeder Millimeter kostete ihn furchtbare Anstrengung. Noch nie hatte sie einen solchen Kampf eines Menschen mit seinem Körper beobachtet.
    Sie seufzte tief, als er endlich stand. »Puh, da bin ich aber froh. Es sieht ja ganz so aus, als ob Ihnen wirklich nichts passiert ist. Oder tut Ihnen jetzt etwas weh?«
    Er schüttelte stumm den Kopf. Sein Atem ging zu heftig, als dass er etwas hätte sagen können. Der Schweiß perlte ihm übers Gesicht.

    »Gut schauen Sie aus«, begrüßte Kyra den Kellner.
    »Fünf Tage Ibiza. Ich bin erst gestern zurückgekommen«, kommentierte er seine delikate Bräune.
    Kyra nickte anerkennend. »Sieht man doch gleich, dass das kein Berlin-Braun ist.«
    Auf ihrem Schreibtisch hatte die Visitenkarte des EKHK Heinrich Priesske gelegen. Da der EKHK Heinrich Priesske aber telefonisch nicht zu erreichen gewesen war, hatte sie beschlossen, erst einmal Mittagessen zu gehen.
    Der hübsche Kellner stützte sein leeres Tablett auf die andere Hüfte. »Wie siehts jetzt so aus, bei Ihnen da oben?«
    »Wie solls schon aussehen. Seit ein paar Tagen hockt der Neue aufm Thron. Und der muss sich und der Welt erst mal beweisen, dass er da nicht zufällig hockt. Und deshalb benimmt er sich wie das größte Arschloch in dieser an Arschlöchern nicht eben armen Branche.« Sie sah, wie der hübsche Kellner einen Moment die Brauen runzelte. Aha. Empfindsames Gemüt. »Ansonsten ist alles beim Alten.«
    »Und wer ist der Neue?«
    »Wössner. War vorher Stellvertreter.«
    »Olaf Wössner ist Chefredakteur geworden?« Der hübsche Kellner nahm aufgeregt das Tablett von der Hüfte. »Tatsächlich? Als ich hier an der FU angefangen habe zu studieren, da war Wössner Assistent. Ich hab mal ein Handke-Seminar bei ihm gemacht. Das war hervorragend.«
    »So«, sagte Kyra. Sie räusperte sich. »Ich hab noch gar nicht in die Karte geguckt. Was gibts heute als Tagesgericht?«
    »In dem Seminar habe ich auch eine Hausarbeit geschrieben. Über den Aspekt der existenziellen Einsamkeit in Die Angst des Tormanns beim Elfmeter. Ich glaube, Wössner hatte die Arbeit mit sehr gut benotet. Wenn er sich daran noch erinnert, müsste ich doch gute Karten für den Praktikumsplatz haben. Ansonsten kann ich ihm die Arbeit ja noch mal schicken. Was meinen Sie?«

    »Walnussravioli. Ich nehm die Walnussravioli«, sagte Kyra und klappte die Karte zu. »Und ein Bier.«
    »Selbstverständlich.« Der Germanist blinzelte irritiert. »Sofort.« Der Kellner legte die Karte aufs Tablett und verbeugte sich.
    Kyra schaute ihm versonnen hinterher. Er war wirklich eine Augenweide. Augenweide. Was für ein komisches Wort. Als ob die Augen Kühe wären und er die Wiese, auf der sie grasen wollten. Na ja, vielleicht stimmte es in diesem Fall sogar.
    Nach erstaunlich kurzer Zeit brachte er Bier und Ravioli.
    »Danke«, strahlte sie extra bezaubernd. Er sah so aus, als ob ein bisschen Extrazauber nötig wäre, um sein charmantes Lächeln wieder hervorzulocken. »Übrigens. Was halten Sie vom nichtaristotelischen Du?«
    Er schaute sie

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