Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis
erschrocken an. »Ich weiß nicht, also mit Aristoteles habe ich mich in meinem Studium noch nicht näher beschäftigt -«
»War nur n Scherz. Ich meine, was du davon hältst, wenn wir uns duzen.«
»Ach so.« Er lächelte erleichtert. »Ja klar. Gern. Ich bin Andy.«
»Andy. Wie hübsch. Ich hin Kyra.« Sie ergriff die Hand, die er ihr hinhielt. Schade, dass sie nicht in Wien waren. Ein kleiner Kuss auf diese hübsche Hand wäre ein nettes Amuse-gueule gewesen.
Die Walnussravioli schmeckten überraschend angenehm. Allerdings hielt Kyra es für wahrscheinlich, dass ein Kurzschluss zwischen Seh- und Geschmacksnerven an dem günstigen Urteil beteiligt war. Wie gesagt: Augenweide.
»Mit dem Praktikum lässt sich bestimmt was machen«, kaute sie, als Andy das nächste Mal an ihrem Tisch vorbeikam. »Ich hab gehört, Wössner sind gerade zwei Praktikanten ausgefallen, und er sucht dringend nach geeignetem Ersatz.«
»Ehrlich?«
Es war allerliebst, Andy unter der Ibiza-Bräune erröten zu sehen.
»Ich hatte heute Morgen ein Gespräch mit ihm. Er meinte, wenn ich jemand Begabten wüsste - er wäre für jeden Vorschlag dankbar.«
»Das ist ja fantastisch. Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen meine Unterlagen gleich morgen mitbringen.« Andy sah aus, als ob er am liebsten sofort nach Hause gerannt wäre, um seine existenzielle Handke-Arbeit zu holen.
Kyra lächelte ihn nachsichtig an. »Fürs erste reichts wohl, wenn du mir ein bisschen erzählst, was du gemacht hast. Studium, frühere Praktika, Stipendien und so weiter. Den üblichen Kram eben.«
»Herr Ober. Herr Ober.« Zwei Tische weiter wurde eine gereizte Stimme laut. »Würden Sie bitte auch einmal hierher kommen.«
»Ich glaube, während der Dienstzeit wird das nichts.« Kyra kramte in ihrer Handtasche. »Wann machst du heute Schluss hier?«
Er schaute auf seine Armbanduhr. »Ich denke, ich kann es einrichten, heute etwas früher zu gehen.«
Ein roter Sportwagen kam aus der Tiefgarage des Berliner Morgen geschossen. Ein roter Sportwagen hielt vor dem Café Morgenstern. Eine schöne junge Frau saß am Steuer. Ein schöner junger Mann kam aus dem Café und eilte zu der schönen jungen Frau, die am Steuer des roten Sportwagens saß. Sie beugte sich über den Beifahrersitz und öffnete ihm die Tür. Der schöne junge Mann stieg zu der schönen jungen Frau ins Auto. Beide lachten. Die schöne junge Frau gab Gas, und der rote Sportwagen schoss davon.
Das alles hatte Franz von seinem Fenster im fünften Stock nur deshalb so gut beobachten können, weil Sommer war. Und der rote Sportwagen sein Verdeck geöffnet hatte.
»Meinen Sie wirklich, wir sollten das bei Ihnen zu Hause besprechen?« Andy rutschte unbehaglich auf dem Ledersitz der Giulia herum, als Kyra den Motor abstellte und den Schlüssel aus dem Zündschloss zog.
»Was ist?« Sie schaute ihn an. »Hast du Angst, dass ich dich erwürge und vergewaltige?«
»Natürlich nicht.« Er lächelte gequält. »Aber trotzdem fände ich es besser, wenn wir in eine Kneipe gingen. Nur so wegen der Form.«
»Was denn für ne Form?«
»Wenn ich das Praktikum bekomme, dann - dann möchte ich nicht, dass man über mich redet.«
»Ich glaub, du hast da was nicht verstanden.« Kyra blinzelte ihn vergnügt an. »Der einzige Grund, warum man überhaupt ein Praktikum macht, ist, dass über einen geredet wird.«
»Klar. Aber nicht so.«
»Ach, mach dir da mal keine Sorgen«, winkte sie ab. »Die Praktikantinnen, die Konrad eingestellt hat, waren alle bei ihm daheim. Und die waren immer populär in der Zeitung.«
»Das ist ja auch was anderes«, brummte Andy.
Kyra öffnete ihre Tür. »Stimmt. Es ist hundertmal peinlicher, wenn man im Ruf steht, von Konrad flachgelegt worden zu sein, als von mir.«
»Sag mal, an mangelndem Selbstbewusstsein leidest du ja nicht gerade.« Er lachte trocken.
»Sollte ich?« Sie packte ihre Handtasche und schwang die Beine zum Wagen hinaus. »Was ist jetzt? Willst du mit mir über dein Praktikum reden oder nicht?«
Er rammte beide Hände in seine Hosentaschen und grinste. »Klar will ich.«
»Isabelle, lüg mich nicht an!« Die Frau mit den aschblonden Haaren, die zwei Tage in den Verhörräumen der Hamburger
Polizei verbracht hatte, saß auf dem Konrad’schen Wohnzimmersofa. Sie sah blass aus.
»Ella, ich lüg dich nicht an.«
»Wo bist du an dem Wochenende gewesen?«
»Na bei dir.« Mit großem Augenaufschlag kam Isabelle auf die Frau zu. Sie setzte ihr den Zeigefinger in
Weitere Kostenlose Bücher