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Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis

Titel: Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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es ganz deutlich gespürt. Es war kein Stich von
außen in die Haut gewesen. Sondern tief in ihm drinnen hatte es gestochen.
    »Was machen Sie da! Ich will wissen, was Sie da machen!« Seine Stimme war noch rau vor Lust.
    Ohne mit dem Schulterblatt zu zucken, machte sie weiter mit dem, was sie tat. Was immer es war. Er bäumte sich auf, versuchte sie abzuschütteln, aber sie saß fester, als er jemals geglaubt hätte.
    »Nehmen Sie mir die Handschellen ab! Nehmen Sie mir sofort die Handschellen ab!«
    Ein neues, eigenartiges Gefühl ließ ihn innehalten. Etwas geschah mit ihm. Als ob er sich auflöste. Als ob er zerfloss. Als ob - seine Gedanken verstummten vor Peinlichkeit.
    »Hören Sie auf, Sie sind ja pervers, hören Sie auf.« Nun war es Entsetzen, das seine Stimme heiser machte. »Ich will das nicht! Hören Sie! Nehmen Sie das sofort wieder raus!«
    Immer weiter floss er aus. Sie drückte auf seinen Unterleib. Drückte auf seinen Unterleib, als wolle sie den letzten Tropfen mit Gewalt aus ihm herauspressen. Er leistete Widerstand, versuchte sich zu sperren, spannte sämtliche Muskeln an, die er im Unterleib zu haben glaubte. Alles umsonst. In seinem ganzen Leben hatte er sich nicht so hilflos gefühlt. Nicht, als er als Kind vom Baum gestürzt war und keuchend am Boden gelegen hatte, nicht, als er in Istanbul am Hafen von zwei Männern überfallen worden war, nicht, als er mit Gallensteinen im Krankenhaus gelegen hatte.
    Etwas klatschte unter ihm auf die Stufen. Etwas prall Gefülltes. Ein prall gefüllter Beutel. Er weinte leise vor Scham. »Warum tun Sie das mit mir? Warum tun Sie das? Oh mein Gott, hören Sie doch auf.«
    Sie hörte nicht auf. Sie fing erst an. Angst schnürte ihm die Kehle zu. Er strampelte mit den Beinen, versuchte, sich abermals aufzurichten, aber ihr Fliegengewicht hielt ihn mit wundersamer Kraft zu Boden gedrückt. Die scharfe Kante der Marmorstufe schnitt ihm in die Arme, die in seinem Rücken
gefesselt waren. Er hielt den Atem an und lauschte in sich hinein. Etwas Neues geschah mit ihm. Wieder war es ein Fließen, aber diesmal ging es in die umgekehrte Richtung, etwas wurde in ihn hineingepresst. Ihm wurde heiß und kalt zugleich.
    »Was ist das«, flüsterte er erstickt. »Was ist das?«
    Seine zu Tode verängstigten Sinne sagten: Benzin. Schweiß strömte ihm übers Gesicht. Er bekam Schüttelfrost. Benzin. Es konnte nicht sein. Benzin konnte nicht sein. Es war, als ob ein Eisklotz in seinem Unterleib wüchse, ein riesiger Eisklotz, der immer weiter wuchs und wuchs, bis er ihn aufreißen würde.
    »Bitte, lassen Sie mich doch frei.« Seine Stimme gurgelte vor Tränen.
    Der Eisklotz erwärmte sich, wurde heiß, wurde ätzend, als hätte er es sich anders überlegt und wolle ihn nicht zerreißen, sondern sich langsam nach außen durch sein Fleisch fressen.
    »Bitte!« Jede Faser seines Körpers flehte um Ohnmacht.
    Unberührt, als sei sie aus Stein, arbeitete sie weiter. Längst spürte er nichts mehr von ihren Händen, der Schmerz, den sie ihm zugefügt hatten, war so grell, dass er ihre eigene Berührung auslöschte.
    Er öffnete ein letztes Mal den Mund.
    »Gnade«, flüsterte er: »Gnade.« Ein Wort, das zu benutzen er sich sein Leben lang gescheut hatte. »Gnade«, hauchte er immer wieder, »Gnade, Gnade«, als könne das Wort, weil es so jungfräulich über seine schmerzverklebten Lippen kroch, das Zauberwort sein. Er verstummte, als er das Streichholz fauchen hörte.
     
    »Du musst mir sagen, wie dus magst.«
    Die Frau auf dem Sofa hechelte angestrengt. Sie lallte albernes Zeug wie »Ja, ja« und »Hier, nein da«.
    Kyra grinste. Wer immer diesen Film inszeniert hatte,
war ein schlechter Regisseur. Die Frau auf dem Sofa lag da wie tot, und die Frau mit den grünen Haaren rackerte herum wie ein Heinzelweibchen, das bis zum Sonnenaufgang alles geschrubbt und poliert haben musste.
    - Come on, babe, du könntest es der Kleinen auch ein bisschen leichter machen.
    Kyra griff in ihre imaginäre Popcorntüte. Einen guten Sitzplatz hatte sie erwischt, in ihrem privaten Pornokino. Mit skeptischem Kauen verfolgte sie, wie das Heinzelweibchen abermals abtauchte, um feucht zu wischen.
    - Hey, Kleine, siehst du nicht, dass das nicht funktioniert? So kriegste die Tante nie geknackt.
    Kyra lachte, als die Frau mit den grünen Haaren atemlos innehielt, sich eine Strähne aus dem Gesicht blies und »Mann, du bist vielleicht ne harte Nummer« stöhnte.
    - Das kann man ja nicht mitansehen,

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