Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis

Titel: Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
Vom Netzwerk:
Mädels. Go, go, go!
    Gerade als Kyra ausholte, um eine Hand voll Popcorn auf die Leinwand zu werfen, geschah etwas. Nicht nur mit der Frau auf dem Sofa, sondern mit ihr, in ihrem Kinosessel. Alles um sie herum begann zu vibrieren. Sie zitterte. Und klammerte sich an die Armlehnen ihres Sessels, doch der Sessel löste sich unter ihr auf. Es war, als würde sie in ein schwarzes Loch hineingezogen. Der Film holte sie zurück. Riss sie von dort weg, wo sie ausgestiegen war. Jeder Zentimeter, den sie betrachtet hatte, raste noch einmal an ihr vorbei. Lichtgeschwindigkeit. Es rüttelte an ihr, als wolle es sie zerreißen. Kyra machte die Augen zu und schrie.
     
    Die Fackel hatte nur kurz gebrannt. Zu schnell waren die Flammen an dem benzingetränkten Docht emporgeklettert, und im selben Moment, in dem sie sich über ihn gebeugt und das Messer an seine Kehle gesetzt hatte, war er explodiert. Erschreckt war sie zurückgefahren, doch nun, nachdem sich die Flammen, die hoch in den Raum aufgeschossen waren, beruhigt
hatten, kam sie wieder näher. Unten brannte er immer noch. Oben blutete er. Es war wunderbar. Das Wunderbarste, was sie je gesehen hatte.
    Purpurn flackert Mund und
In verfallnem Zimmer kühl,
scheint nur Lachen, golden Spiel,
Dass ein Sturm dies Haupt zerschlüge.
    Sie setzte das Messer noch einmal an. Mehr Blut musste die weißen Treppenstufen hinunterfließen. Ströme von Blut.
    Sie lachte und sang. Der rote Fluss, der seinem Hals entsprang, wurde breiter und breiter, Nil, Euphrat, Tigris, tausend Flammen leckten aus seinem Unterleib. Sie drehte sich wie ein Kreisel. Tanzte auf den marmornen Stufen, wie die Schatten auf ihrem marmornen Leib tanzten.
    Flammen, Flüche
Und die dunklen
Spiele der Wollust,
Stürmt den Himmel
Ein versteinertes Haupt.
    Sie warf den Kopf in den Nacken und schaute hin zu den Göttern, die rings von den Rängen dem Blut-und-Feuer-Werk Beifall spendeten. Die Götter waren stolz auf sie, sie hatte die Tat vollbracht. Sie - die Einzige. Mit Tränen der Freude und des Stolzes in den schwefelgelben Augen verneigte sie sich vor ihrem hohen Publikum. Sie eilte zu der Athene an der Stirnseite des Saals und küsste ihr die Füße. Athene war groß, Athene war unüberwindlich, und Nike hieß ihr Sieg. Sie tanzte und küsste Athene die Füße und tanzte und küsste, bis die Flammen endgültig erloschen waren.
    Dann hob sie das Messer, setzte es an und schnitt immer im Kreis herum zwischen den Wirbeln hindurch den Kopf
von den schmauchenden Resten. Und lachte, als der Kopf die Stufen hinunterrollte, auf denen ihre nackten Füße getanzt hatten.

    »Hey, wach auf. Da ist wer an der Tür.«
    Kyra brummte und versuchte sich das Kopfkissen über die Ohren zu ziehen. Was daran scheiterte, dass es weit und breit kein Kopfkissen gab.
    Der Kobold rüttelte heftiger an ihr. »Verdammt, werd endlich wach. Da ist wer an der Tür.«
    »Mmh.« Bloß nicht den Mund aufmachen. Wenn sie den Mund hielt, gelang es ihr vielleicht, den Kobold davon zu überzeugen, dass sie noch schlief.
    »Die haben schon zweimal geklingelt.«
    »Mmh.«
    »Scheiße, Mann. Komm endlich hoch.« Der Kobold wurde langsam hysterisch. Kyra spürte, wie er an ihrem Arm zerrte. Mit dumpfem Geräusch fiel sie vom Sofa.
    »Au Scheiße.« Sie machte die Augen auf und schnell wieder zu. Froschgrüne Haare auf leeren Magen. Ein Anblick, der einem den Tag verderben konnte. Wawuschel. Ausgerechnet jetzt fiel es ihr ein. Wawuschel hießen diese Kobolde mit den grünen Haaren. Wuschel und Wischel.
    »Wischel«, brummte sie. »Du nervst.«
    »Was? Was hast du gesagt?«
    »Vergiss es. Schlaf weiter.«
    »Mann, und wenn das die Bullen sind?« Das Wawuschel stieß ihr in die Rippen. »Wenn das die Bullen sind, musst du denen sagen, dass ich nicht hier bin. Hörst du?«
    »Mhm.« Kyra versuchte, sich mit geschlossenen Augen aus der Trittlinie hinaus und zurück aufs Sofa zu manövrieren. Sie hoffte, dass sie wieder eingeschlafen war, bevor sie möglicherweise anfing, sich an das zu erinnern, was letzte Nacht hier geschehen war.

    »Aufmachen, Polizei!«
    »Scheiße. Ich habs doch gesagt, ich habs doch gesagt.« Das Wawuschel quiekte vor Panik.
    »Die werden schon nicht die Tür eintreten.« Den halben Weg aufs Sofa hatte sie bereits geschafft. So kurz vorm Ziel ließ sich eine halb schlafende Kyra durch nichts mehr aufhalten.
    »Scheiße, Mann. Gibts hier irgendwo n Platz, wo ich mich verstecken kann?«
    »Im Schlafzimmer stehen n paar leere

Weitere Kostenlose Bücher