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Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis

Titel: Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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Adresse.« Er tauchte hinter seiner Ladentheke ab und wühlte in Schubladen.
    Törner hörte die beiden Mädchen in seinem Rücken kichern.
    Der Goldschmied tauchte mit einem ausgefledderten Lederadressbuch in der Hand wieder auf. »Icki, Icki«, murmelte er und blätterte durch die angenagten Seiten. »Friedrich Schenker, da haben wir ja den Schlingel.« Er kritzelte Straßennamen und Hausnummer auf einen Zettel. »Telefonnummer schreib ich Ihnen auch mal dazu, der Icki macht das nämlich nur mit Anmeldung.«

    »Danke.« Törner nahm den Zettel entgegen, den der Goldschmied ihm hinhielt.
    »Sagen Sie dem Icki ganz liebe Grüße von Toto, dann klappts schneller mit dem Termin. Uniformierten helfen wir doch immer gern. Auch wenn sie die Uniform daheim gelassen haben.« Lachend griff er in den vergoldeten Totenschädel mit dem Klappdeckel, der neben der Kasse stand, fischte eine Visitenkarte heraus und drückte sie Törner in die Hand. »Wenn Ihre Gattin vielleicht mal nen kleinen Intimschmuck wünscht. Oder Sie selbst.« Er zwinkerte. »Bis Ende August haben wir das Eichelpiercing noch im Sonderangebot.«
    So sprach er und warf, und das Geschoss lenkte Athene
Auf die Nase neben dem Auge, und es durchbohrte die
weißen Zähne.
Und ihm schnitt ab die Wurzel der Zunge das unaufreibbare
Erz,
Und die Spitze fuhr ihm heraus am untersten Kinn.
    Kyra ließ das Buch sinken. Ilias. Immer wieder schön. Besser als Nightmare on Elmstreet.
    Ihr Blick schweifte durch den voll besetzten Lesesaal der Staatsbibliothek. Hinter irgendeinem dieser Schalter musste der alte Homberg gearbeitet haben. Von den Bibliothekarinnen, die sie an der zentralen Buchausgabe gefragt hatte, konnte sich keine mehr persönlich an den alten Mann erinnern. Vielleicht sollte sie es nachher noch mal in den anderen Lesesälen probieren. Kyra unterdrückte ein Gähnen. Der Sessel, in den sie sich gesetzt hatte, war bequem, gefährlich bequem.
    - Doch der schlug ihm mit dem Schwert in den Hals,
Und weit weg warf er das Haupt mitsamt dem Helm,
und das Rückenmark

Spritzte aus den Wirbelknochen, und der lag am Boden
hingestreckt.
    Mit leisem Lächeln klappte Kyra die Ilias zu und zwang sich, wieder in die wissenschaftliche Abhandlung zu blicken, die geöffnet auf dem niedrigen Tischchen lag.
    Die Religion der Griechen freilich erschien und erscheint in klassizistischer Perspektive als licht und leidlos-heiter. Doch wer dem das Skandalon des Kreuzes als das ganz andere entgegenhalten möchte, übersieht die Tiefendimension, die der von Homer und der Bildkunst suggerierten Schwerelosigkeit der Götter zugehört.
    Kyra zupfte nervös an ihrem Muttermal. Warum konnte dieser Mann nicht einfach schreiben, dass das ganze Christentum eine scheißblutige Religion war und dass die Griechen unter der Maske ihrer erhabenen Einfalt und stillen Größe auch nur ein Volk von Blutsudlern gewesen waren?
    Vom Hergang eines »normalen« griechischen Opfers für die olympischen Götter können wir uns, vor allem dank der Schilderungen durch Homer und die Tragödie, ein recht vollständiges Bild machen.
    Na endlich. Kyra stieß einen Seufzer aus und zwang sich, ihre Rezeptoren von Durchzug auf Achtung umzustellen.
     
    »Könntest du das hier vielleicht mitkopieren?« Der hübsche Ex-Kellner lächelte und hielt Nike Schröder ein Buch hin.
    Die Kleine blinzelte erstaunt. »Hatte Herr Wössner nicht gesagt, dass du dieses Buch kopieren sollst?«
    Andy ließ sich in die linke Hüfte fallen. »Ja. Schon. Aber ich muss doch gleich los. Ich soll doch einen Artikel über die Baracke schreiben.«

    »Ach so?« Nike drückte die Kopiertaste. »Was spielen sie denn da heute Abend?«
    Srrrt - srrrt, machte die Lichtschiene.
    »Shoppen und Ficken.«
    »Kenne ich nicht.« Nike nahm das Buch von der Glasplatte, blätterte um, strich es im Knick sorgfältig glatt und legte es wieder hin. Sie passte die beiden weißen Papierstreifen, die Kopierränder verhindern sollten, neu an.
    »Ich weiß nicht«, sagte sie.
    Srrrt. Srrrt. Lichtschiene.
    »Bitte. Du würdest mir einen Riesengefallen tun. Dieser Artikel ist total wichtig für mich.«
    »Aber Herr Wössner hat doch gesagt, dass du dieses Buch kopieren sollst.« Srrrt. Srrrt.
    »Hey, das ist echt unkollegial.«
    »Und hey, was Sie da machen, ist ziemlich dreist«, brummte es von hinten. Die beiden Praktikanten blickten sich gleichzeitig um.
    »Ach, Herr Pawlak.« Zwei Gesichter erröteten.
    Andy klemmte das Buch unter den Arm. Er

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