Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis
was ganz anderes erzählt.« Das Gift in der Stimme war wieder da.
»Welcher hässliche Freund?«
»Na, dein Pawlak. Der hat mir erzählt, dass du mit allem
in der Redaktion rumvögelst, was unter fünfundzwanzig ist und zwei Titten hat.«
»Wie kommst du dazu, mit Franz zu reden?« Obwohl sie viel zu müde war, regte sich Kyra jetzt doch auf.
»Also. Läuft da was, zwischen dieser kleinen Schlampe und dir?«
»Isabelle, es geht dich einen feuchten Scheißdreck an, was ich treibe. Du spielst in meinem Leben keine Rolle. Ist das klar?«
Böses Lachen. »Du bist das Letzte. Fick dich doch selbst!« Der Rest war beleidigtes Tuten.
Tränen stiegen Kyra in die Augen. Sie konnte nicht sagen, ob es Lach-, Müdigkeits- oder Verzweiflungstränen waren. Nike Schröder und sie. Diese höhere Alabastertochter, die sich an Franz ranwarf. Franz, der Isabelle Scheiße erzählte. Wie bescheuert konnte Eifersucht einen machen?
Sie legte den Hörer neben das Telefon und schleppte sich ins Schlafzimmer.
Kaum eingeschlafen, träumte sie schon.
Die alte Frau mit der wächsernen Gepardenhaut erhob sich vom Sektionstisch und nahm sie an der Hand. Sie gingen im Park spazieren. Es war schön. Auf einer Lichtung kam ihnen ein Mädchen im weißen Kleid entgegen. Das Mädchen lief auf sie zu, weinte und rief: »Ich will aber! Ich will aber! Dich! Dich!« Es griff nach der alten Frau und fasste das Ende ihrer Eingeweide. Kyra und die alte Frau gingen immer weiter. Hinter ihnen ribbelten sich die Gedärme der alten Frau auf wie ein Wollschal.
»Ich habe in keinster Weise Scheiße erzählt.« Franz schmollte. Er hielt es nicht einmal für nötig, sich zu Kyra hin umzudrehen, die in seiner Zimmertür stand und fluchte.
»Doch. Hast du. Und zwar absichtlich. Weil du dir genau
ausrechnen konntest, dass ich diese Nervtussi dann wieder am Hals hab.«
»Ich dachte, du freust dich, wenn ich dir reizende junge Damen an den Hals schicke.«
»Sei nicht albern.«
»Und wieso hast du dann gestern Nike in die Rechtsmedizin mitgeschleppt?«
Kyra stemmte die Arme in die Seite. Es machte sie rasend, dass Franz sie nicht anschaute. »Ach so ist das. Der Herr brummt, weil er seine süße kleine Praktikantin nicht mehr für sich allein hat.«
Endlich drehte er sich um. Kein Lächeln, keine Freundlichkeit, nicht einmal Ironie lag in seinem Gesicht. »Kyra, du musst mir nicht beweisen, dass du die Königin bist. Du brauchst dich nicht an Nike ranzumachen, um mich zu ärgern.«
Kyra blinzelte. »Du - du spinnst ja.« Einigermaßen verwirrt stapfte sie auf den Gang hinaus. Katertag. Grässlicher Katertag.
Schon von weitem sah sie den gelben Reiter, der an ihrer Zimmertür klebte.
»Bitte die Fotos vom Pergamon-Museum zurück! Dringend! Kalle.«
Sie riss den Zettel ab, knüllte ihn zusammen und warf ihn auf den Boden. Warum wollte dieser Knipser ausgerechnet jetzt seine Scheiß-Fotos zurückhaben. Keine Ahnung, wo sie die hingepackt hatte. Wütend zog sie ein paar Schubladen. Sie schaute in die Ablage, in der Fotos prinzipiell liegen sollten. Naturgemäß nichts.
Unter einem Zeitschriftenberg auf dem Fensterbrett fand sie sie endlich. Erleichtert stellte sie fest, dass ihr das wilde Räumen gut getan hatte. Sie fühlte sich nur noch halb so geladen. Wozu Kalle diese Fotos dringend zurückbrauchte, begriff sie allerdings nach wie vor nicht. Sie blätterte die Bilder einmal flüchtig durch und steckte sie in eine Hülle.
Nichts als belanglose Schnappschüsse: Nur Gaffer, Zeitungsmeute und Bullen waren ihm an jenem Morgen vor die Linse gelaufen. Kein Einziges hatte sie für ihre Artikel verwenden können.
Sie war mit den Fotos schon draußen auf dem Gang, als ihr Blick noch einmal auf das oberste fiel. Eine junge Frau war darauf zu sehen, die hastig über den Museumsplatz in Richtung Brücke ging. Der Platz war an jenem Morgen hermetisch abgeriegelt gewesen, davon hatte sie sich vor ihrer Festnahme noch selbst überzeugen können. Also musste die Frau aus dem Museum herausgekommen sein. Kyra blieb stehen, zog das Bild aus dem transparenten Umschlag und betrachtete es näher. Von irgendwoher kam ihr die Frau bekannt vor. Vielleicht eine Kommissarin in Zivil, der sie bei einem anderen Einsatz schon mal begegnet war. Achselzuckend steckte Kyra das Bild wieder zurück.
Im Fahrstuhl musste sie an Franz denken. Es hatte keinen Sinn, wenn sie sich mit ihm zerstritt. Am besten, sie ging gleich anschließend noch einmal zu ihm.
Ihr Blick fiel wieder auf
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