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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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ist unter ihnen«, jammerte Großvater, an Leib und Seele geschlagen.
    Dann aber erfreute er sich bei Tisch an einem exzellenten Schmorbraten in Barolo. »Nie wird mein Sohn begreifen«, sagte er, »wie schön solch ein Braten mit den richtigen Zutaten ist: mit Zwiebeln, Karotten, Sellerie, Salbei, Rosmarin, Lorbeer, Gewürznelken, Zimt, Wacholder, Salz, Pfeffer, Butter, Olivenöl und natürlich einer Flasche Barolo, serviert mit Polenta oder Kartoffelpüree. Macht ihr nur die Revolution, macht sie nur… Ihr habt die Freude am Leben verloren. Ihr wollt den Papst verjagen, um die bouillabaisse nach Nizzaner Art zu essen, wie es dieser Nizzaner pêcheur Garibaldi euch aufzwingen wird… Es gibt keine Religion mehr.«
     
    * * *
     
    Oft zog auch Pater Bergamaschi bürgerliche Kleidung an und ging davon mit den Worten, er werde ein paar Tage wegbleiben – ohne zu sagen, wie und warum. Dann schlich ich mich in sein Zimmer, holte mir seine Soutane, streifte sie über und betrachtete mich in einem Spiegel, wobei ich kleine Tanzbewegungen machte. Als wäre ich – der Himmel vergebe mir – eine Frau, oder als wäre der Pater eine, die ich imitierte. Wenn sich herausstellen sollte, dass ich der Abbé Dalla Piccola bin, dann hätte ich hier die fernen Ursprünge meiner Lust am Verkleiden entdeckt.
    In den Taschen der Soutane fand ich Geld, das der Pater offensichtlich vergessen hatte, und beschloss, mir damit ein paar Gaumensünden zu gönnen sowie ein paar Erkundungen in Gegenden der Stadt, die ich oft hatte rühmen hören.
    So gekleidet – und ohne zu bedenken, dass eine Soutane in jenen Zeiten bereits eine Provokation war – begab ich mich in das Gassengewirr des Balôn , jenes Bezirks von Porta Palazzo, der damals vom Bodensatz der Turiner Bevölkerung bewohnt wurde, aus dem sich das Heer der schlimmsten Spitzbuben rekrutierte, welche die Stadt unsicher machten. Aber wenn Festtage anstanden, belebte sich der Markt von Porta Palazzo enorm, die Leute drängten sich vor den Auslagen, die Hausfrauen strömten scharenweise in die Metzgereien, die Kinder blieben verzückt vor den Nougatfakrikanten stehen, die Feinschmecker machten ihre Einkäufe an Geflügel, Wild und Wurstwaren, in den Restaurants fand man keinen freien Tisch, und ich streifte mit meiner Soutane wehende Weiberröcke und sah aus den Augenwinkeln, während ich priesterlich fromm auf meine gefalteten Hände blickte, Frauenköpfe mit Hütchen, Hauben, Schleier oder Halstuch und fühlte mich wie betäubt vom Hin und Her der Karossen und Kutschen, von den Rufen und Schreien und dem Getöse.
    Erregt von diesem Trubel, den sowohl mein Großvater wie mein Vater, wenn auch aus entgegengesetzten Gründen, mir vorenthalten hatten, war ich zu einem der legendären Orte des damaligen Turin gelangt. Als Jesuit gekleidet und maliziös das Erstaunen genießend, das ich hervorrief, trat ich in das Caffè al Bicerin an der Piazza della Consolata, um das namengebende Glas mit Schutzring und Griff aus Metall zu bestellen, das nach Sahne, Kakao, Kaffee und anderen Aromen roch. Natürlich wusste ich damals noch nicht, dass ein paar Jahre später sogar Alexandre Dumas, einer meiner Helden, über das bicerin schreiben sollte, aber nach nicht mehr als zwei bis drei Streifzügen zu jenem magischen Ort wusste ich alles über diesen Nektar, der sich von der bavareisa ableitet, in der Kaffee, Trinkschokolade und Sahne gemischt und mit Sirup gesüßt werden, während beim bicerin die drei Bestandteile in Schichten getrennt und sehr heiß bleiben, so dass man drei Varianten bestellen kann, pur e fiur , nur Kaffee und Sahne, pur e barba , Kaffee und Schokolade, und ’n poc ’d tut mit allen drei Bestandteilen.
    Die Seligkeit jenes Milieus mit schmiedeeisernem Rahmen, die Werbeplakate an den Wänden, die gusseisernen Säulchen und Kapitelle, die Holztäfelung, dekoriert mit Spiegeln, die Marmortischchen, die Theke, hinter der sich die hohen, nach Mandeln riechenden Gläser mit vierzig verschiedenen Bonbonsorten reihten… Besonders gern ließ ich mich dort am Sonntagvormittag zur Beobachtung nieder, weil das Getränk dann der Nektar derjenigen war, die nach nüchternem Gang zur Kommunion nun Stärkung suchend aus der gegenüberliegenden Basilica della Consolata kamen – und das bicerin war ein beliebtes Getränk in der Fastenzeit, weil warme Schokolade nicht als Speise galt und daher beliebig konsumiert werden konnte. Heuchler.
    Doch Kaffee- und Schokoladengenuss beiseite, was mich

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