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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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liberal, wie er anfangs erschienen war, viele der schon gewährten Verfassungen wurden wieder zurückgezogen… Doch in Rom waren unterdessen Garibaldi und die Patrioten Mazzinis eingetroffen, und zu Beginn des folgenden Jahres sollte die Römische Republik ausgerufen werden.
    Seit März war mein Vater endgültig von zu Hause verschwunden, und Mamma Teresa war überzeugt, dass er sich den Mailänder Aufständischen angeschlossen hatte, bis dann im Dezember einer der Jesuiten im Hause die Nachricht erhielt, dass er zu den Mazzinianern gegangen sei, die nach Rom eilten, um sich an die Spitze der neuen Republik zu setzen. Verbittert überhäufte Großvater mich mit schrecklichen Voraussagen, die den annus mirabilis in einen annus horribilis verwandelt sahen. Wahr ist, dass die piemontesische Regierung damals den Jesuitenorden auflöste, seine Güter einzog und, um auch sein Umfeld trockenzulegen, sogar die Orden der sogenannten gesuitanti verbot, wie die Oblaten von San Carlo und der Maria Santissima und die Liguoristen.
    »Wir stehen vor der Ankunft des Antichrist«, lamentierte Großvater, und natürlich schrieb er alles den Machenschaften der Juden zu und sah die schlimmsten Prophezeiungen des alten Mordechai sich erfüllen.
     
    * * *
     
    Großvater gewährte den Jesuiten Zuflucht, wenn sie sich vor der Volkswut zu retten suchten und hofften, irgendwie wieder im weltlichen Klerus unterzukommen. Anfang 1849 25 trafen viele ein, die aus Rom geflohen waren und entsetzliche Dinge von dort zu berichten wussten.
    Pater Pacchi. Nachdem ich den Ewigen Juden von Sue gelesen hatte, sah ich in ihm eine Inkarnation des Paters Rodin, jenes perversen Jesuiten, der im Dunklen agierte und alle moralischen Grundsätze dem Triumph der Gesellschaft Jesu unterwarf, vielleicht weil Pater Pacchi wie Pater Rodin seine Zugehörigkeit zum Orden verbarg, indem er bürgerliche Kleidung trug, das heißt einen abgetragenen Gehrock, dessen Kragen von altem Schweiß glänzte und mit Schuppen bedeckt war, ein Halstuch statt einer Krawatte, eine schwarze Weste, bei der man schon die Webfäden sah, schwere, stets schlammverkrustete Schuhe, mit denen er sorglos auf die schönen Teppiche in unserem Hause trat. Er hatte ein blasses hageres Gesicht, graue fettige Haare, die an den Schläfen klebten, Schildkrötenaugen und dünne violette Lippen.
    Nicht zufrieden damit, durch seine bloße Anwesenheit bei Tisch Ekel zu erregen, nahm er allen den Appetit, indem er schauerliche Geschichten im Tonfall und Duktus frommer Prediger erzählte. »Meine Freunde, die Stimme zittert mir, aber ich muss es euch sagen. Die Lepra hat sich von Paris aus verbreitet, denn Louis-Philippe war zwar gewiss nicht aus dem Stoff, aus dem man Hostien macht, aber er war ein Damm gegen die Anarchie. Ich habe in diesen Tagen das römische Volk gesehen! Aber war es wirklich das römische Volk? Es waren zerzauste und zerlumpte Gestalten, Galgenvögel, die für ein Glas Wein das Paradies verlassen würden. Nicht Volk, sondern Plebejer, die sich in Rom mit dem niedrigsten Abschaum der italienischen und ausländischen Städte vermischt hatten, Garibaldiner und Mazzinianer, blindes Werkzeug aller Übel. Ihr wisst nicht, wie ruchlos die Scheußlichkeiten sind, die von den Republikanern begangen werden. Sie gehen in die Kirchen und rauben die Urnen der Märtyrer, verstreuen die Asche im Wind und nehmen die Urnen als Nachttöpfe. Sie reißen die heiligen Steine aus den Altären und beschmieren sie mit Kot, sie zerkratzen die Madonnenfiguren mit ihren Dolchen, stechen den Heiligenbildern die Augen aus und schmieren mit Kohle unzüchtige Parolen darauf. Einen Priester, der gegen die Republik predigte, haben sie in einen Torbogen gezerrt, haben ihn mit Dolchstößen durchbohrt, ihm die Augen ausgestochen und die Zunge ausgerissen, und nachdem sie ihm den Bauch aufgeschlitzt hatten, haben sie ihm seine Eingeweide um den Hals gewunden und ihn damit erdrosselt. Und glaubt nicht, dass wenn Rom befreit ist – man spricht schon von Hilfe, die aus Frankreich kommen soll –, dass dann die Mazzinianer besiegt sein werden. Sie sind aus allen Provinzen Italiens herbeigeströmt, sie sind schlau und durchtrieben, scheinheilig und heuchlerisch, verwegen, geduldig und beharrlich. Sie werden sich weiter in den geheimsten Zirkeln der Stadt treffen, ihre Heuchelei und Verstellungskunst verschafft ihnen Eingang in die Kabinette, die Polizei, die Armee, die Flotte, die Zitadellen.«
     
     
     
    »Und mein Sohn

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