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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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frommen, so guten Jungen, der die Verführungen des feindlichen Geschlechts zu meiden suche, nicht nur eine väterliche Freundschaft anbieten könne, sondern die Wärme und Liebe, die ein reifer Mann ihm zu geben vermöge.
    Seit damals lasse ich mich von keinem Priester mehr berühren. Verkleide ich mich womöglich als Abbé Dalla Piccola, um meinerseits andere zu berühren?
     
    * * *
     
    Gegen Ende meines achtzehnten Lebensjahrs hatte Großvater, nach dessen Wunsch ich Advokat werden sollte (in Piemont nennt man jeden, der Rechtswissenschaft studiert hat, Advokat), sich resignierend dazu entschlossen, mich aus dem Hause gehen zu lassen und zur Universität zu schicken. Zum ersten Mal erprobte ich den Umgang mit meinen Altersgenossen, aber es war zu spät, ich erlebte sie voller Misstrauen. Ich verstand nicht ihr unterdrücktes Kichern und ihre beziehungsreichen Blicke, wenn sie von Mädchen sprachen, und sie tauschten französische Bücher mit geschmacklosen Illustrationen aus. Ich las lieber für mich allein. Mein Vater hatte die Pariser Zeitung Le Constitutionnel abonniert, die den Roman Der Ewige Jude von Eugène Sue in Fortsetzungen brachte, und natürlich habe ich ihn verschlungen. Aus ihm habe ich gelernt, wie die infame Gesellschaft Jesu es schaffte, die abscheulichsten Verbrechen zu begehen, um sich einer Erbschaft zu bemächtigen, unter schnöder Missachtung der Rechte sowohl der Elenden wie der Guten. Und zugleich mit dem Misstrauen gegen die Jesuiten hat mich diese Lektüre in die Wonnen des roman feuilleton eingeführt: Auf dem Dachboden entdeckte ich eine Kiste mit Büchern, die mein Vater offenbar dem Zugriff des Großvaters entzogen hatte, und verbrachte ganze Nachmittage (ebenfalls darauf bedacht, dieses einsame Laster vor den Augen des Großvaters zu verbergen), bis mir die Augen schmerzten, über den Geheimnissen von Paris , den Drei Musketieren und dem Grafen von Monte Christo .
    Inzwischen war jener annus mirabilis angebrochen, zu dem das Jahr 1848 24 werden sollte. Alle Studenten jubelten über die Besteigung des Heiligen Stuhls durch Kardinal Mastai-Feretti, der bei seinem Amtsantritt als Pius IX. zwei Jahre zuvor eine Amnestie für politische Häftlinge verkündet hatte. Es begann im Januar mit den ersten antiösterreichischen Unruhen in Mailand, wo die Bürger beschlossen hatten, nicht mehr zu rauchen, um die Staatsfinanzen der k.u.k.-Regierung in die Krise zu treiben (und meinen Turiner Kommilitonen erschienen jene Mailänder Kameraden, die mit eiserner Miene den Soldaten und Polizisten standhielten, die sie mit Rauchschwaden aus verführerisch duftenden Zigarren provozierten, als Helden). Im selben Monat kam es zu revolutionären Erhebungen im Königreich beider Sizilien, und Ferdinand II. musste eine Verfassung versprechen. Doch nachdem im Februar in Paris ein Volksaufstand den »Bürgerkönig« Louis-Philippe abgesetzt und (erneut und endlich!) die Republik ausgerufen hatte – und sowohl die Todesstrafe für politische Delikte als auch die Sklaverei abgeschafft und das allgemeine Wahlrecht eingeführt worden waren –, konzedierte der Papst im März nicht nur eine Verfassung für den Kirchenstaat, sondern auch die Pressefreiheit und befreite die Juden im Ghetto von vielen demütigenden Ritualen und Knechtungen. Und zur selben Zeit versprach auch der Großherzog der Toskana eine Verfassung, während Carlo Alberto die konstitutionelle Monarchie im Königreich Piemont-Sardinien ausrief. Schließlich kamen die revolutionären Aufstände in Wien und Böhmen und Ungarn und jener fünftägige Aufstand in Mailand, der zur Vertreibung der Österreicher führte, mit dem piemontesischen Heer, das in den Krieg eintrat, um das befreite Mailand an Piemont anzuschließen. Meine Kommilitonen raunten auch etwas vom Auftauchen eines Manifests der Kommunisten, und so kam es, dass nicht nur die Studenten jubelten, sondern auch die Arbeiter und Angehörigen der unteren Klassen, die alle davon überzeugt waren, dass sie in Bälde den letzten Priester an den Eingeweiden des letzten Königs aufhängen würden.
    Nicht dass alle Nachrichten gut waren, Carlo Alberto musste Niederlagen einstecken und wurde von den Mailändern und generell von den Patrioten aller Couleurs als Verräter angesehen, Pius IX. war, erschrocken über die Ermordung eines seiner Minister, nach Gaeta zum König von Neapel geflohen und erwies sich – auch er einer, der den Stein warf und dann die Hand versteckte – als keineswegs so

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