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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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mir den Rücken zuzudrehen, und da er mich dann nicht sieht, meint er, dass ich nicht sehe, was er macht. Nun werden die Männer des Gesetzes diesen Tresor sicher irgendwie öffnen, und dann werden sie ihn leer finden. Ich könnte bezeugen, dass Rebaudengos Angebot überraschend kam, ich selbst sei erstaunt über die geringe Summe gewesen, die er verlangt habe, so dass mir schon der Verdacht gekommen sei, er habe gewisse Gründe, seinen Beruf aufzugeben. Und tatsächlich wird man außer dem leeren Tresor auch die Asche wer weiß welcher Dokumente im Kamin finden und in seiner Schreibtischschublade einen Brief, in dem ein Hotel in Neapel ihm die Reservierung eines Zimmers bestätigt. An diesem Punkt wird klar sein, dass Rebaudengo sich schon im Visier der Strafverfolger sah und sich aus dem Staub machen wollte, um seinen Lebensabend bei den Bourbonen zu verbringen, wohin er sein Geld vielleicht schon vorausgeschickt hatte.«
    »Aber vor Gericht würde er doch, wenn er mit diesem Kaufvertrag konfrontiert würde, alles abstreiten…«
    »Wer weiß, was er sonst noch alles vor Gericht abstreiten wird, der Richter wird ihm kaum Glauben schenken.«
    »Der Plan ist gut durchdacht. Sie gefallen mir, Avvocato. Sie sind schneller, motivierter und entschiedener als Rebaudengo und dabei… wie soll ich sagen… vielseitiger. Also gut, liefern Sie uns diese Carbonari-Gruppe aus, und wir werden uns um Rebaudengo kümmern.«
    Die Verhaftung der Carbonari war offenbar ein Kinderspiel, was auch insofern nicht überrascht, als diese Enthusiasten ja wirklich noch beinahe Kinder waren und Carbonari nur in ihren patriotischen Träumen. Seit langem schon hatte Simonini, anfangs aus purer Eitelkeit, weil er wusste, dass man jede seiner Enthüllungen auf Nachrichten zurückführen würde, die er von seinem heroischen Vater erhalten hatte, über die Carbonari allerlei wilde Geschichten verbreitet, die ihm Pater Bergamaschi eingeflüstert hatte. Der Jesuit hatte ihn ja unentwegt vor den Komplotten der Carbonari, Freimaurer, Mazzinianer, Republikaner und als Patrioten verkleideten Juden gewarnt, die, um sich vor den Augen der Polizeien aller Welt zu verbergen, sich als Kohlenhändler ausgaben (daher der Name Carbonari) und sich an geheimen Orten versammelten unter dem Vorwand, ihre geschäftlichen Transaktionen durchzuführen.
    »Alle Carbonari unterstehen dem Kommando der Alta Vendita , ihrer obersten Loge, die vierzig Mitglieder hat, die meisten davon – horribile dictu! – aus der Blüte des römischen Patriziats, plus natürlich einige Juden. Ihr Oberhaupt war Nubius, ein großer Herr, korrupt und verdorben wie ein ganzes Zuchthaus, aber dank seines Namens und seines Vermögens hatte er sich in Rom eine über allen Verdacht erhabene Position verschafft. Aus Paris befragten ihn Buonarroti, General Lafayette oder Saint-Simon, als wäre er das Orakel von Delphi. Desgleichen aus München wie aus Dresden, aus Berlin wie aus Wien und St. Petersburg die Oberhäupter der dortigen Logen, Tscharner, Heymann, Jacobi, Chodzko, Lieven, Mouravieff, Strauß, Pallavicini, Driesden, Bem, Bathyani, Oppenheim, Klauß und Carolus, alle wollten sie von ihm hören, welchen Weg sie gehen sollten. Nubius lenkte die Geschicke der Alta Vendita, bis ihn 1844 jemand mit Arsen vergiftete. Denk nicht, das seien wir Jesuiten gewesen. Es besteht der Verdacht, dass der Anstifter des Verbrechens Mazzini war, der sich mit Hilfe der Juden an die Spitze der Carbonari-Bewegung setzen wollte und immer noch will. Der Nachfolger von Nubius ist jetzt ein Jude namens Kleiner Tiger, der wie Nubius nicht aufhört, überall Feinde gegen Golgatha zu mobilisieren. Aber Zusammensetzung und Ort der Alta Vendita sind geheim. Alles muss den Logen, die von ihr befehligt und gelenkt werden, unbekannt bleiben. Sogar die vierzig Mitglieder der Alta Vendita haben niemals erfahren, woher die Befehle kamen, die sie ausführen oder weitergeben sollten. Und dann sagen sie, die Jesuiten seien Sklaven ihrer Oberen! Die Carbonari sind Sklaven, Sklaven eines Herrn, der sich ihren Blicken entzieht, vielleicht ist es ein Großer Alter, der dieses unterirdische Europa lenkt.«
     
     
     
    Der junge Simonini hatte sich diesen Nubius zu seinem Helden erkoren, als eine Art männliches Gegenstück zu Babette von Interlaken. Und indem er das, was Pater Bergamaschi ihm in Form eines Schauerromans erzählt hatte, nun in die Form eines epischen Gedichts umwandelte, hypnotisierte er damit seine Kameraden. Wobei

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