Die historischen Romane
ich an all das denke, was ich danach getan habe, so scheint mir, dass ich mich schurkisch nur zu Schurken verhalten habe. Was diese Jungen betrifft, so waren sie exaltierte Schwärmer, und exaltierte Schwärmer sind das Verderben der Welt, denn durch sie und durch die vagen Prinzipien, für die sie schwärmen, entstehen die Kriege und Revolutionen. Und da ich mittlerweile begriffen habe, dass die Zahl der Schwärmer auf dieser Welt niemals abnehmen wird, kann ich ebensogut auch Profit aus ihrer Schwärmerei ziehen.
Jetzt nehme ich meine Erinnerungsarbeit wieder auf, wenn Sie gestatten. Jawohl, ich sehe mich wieder als Inhaber der Kanzlei des verstorbenen Notars Rebaudengo, und dass ich schon mit ihm zusammen falsche notarielle Akten fabriziert habe, überrascht mich nicht, denn genau das tue ich heute noch hier in Paris.
Ich erinnere mich jetzt auch gut an den Cavaliere Bianco. Eines Tages sagte er zu mir: »Sehen Sie Avvocato, die Jesuiten sind zwar aus dem Königreich Piemont-Sardinien verbannt worden, aber alle wissen, dass sie verdeckt weiter operieren und Anhänger werben. Das geschieht in allen Ländern, aus denen sie vertrieben worden sind. Vor kurzem ist mir eine amüsante Karikatur in einer ausländischen Zeitung vorgelegt worden, sie zeigt eine Gruppe von Jesuiten, die jedes Jahr so tun, als wollten sie in ihr Herkunftsland zurück (natürlich werden sie an der Grenze aufgehalten), damit man nicht merkt, dass ihre Mitbrüder schon in jenem Lande tätig sind, auf freiem Fuß unter dem Habit eines anderen Ordens. Kurzum, diese Leute sind überall, und wir müssen wissen, wo. Nun ist uns bekannt, dass manche von ihnen seit den Zeiten der Römischen Republik das Haus Ihres Herrn Großvaters frequentierten. Es scheint uns schwer vorstellbar, dass Sie nicht mit einigen von ihnen Kontakt gehalten haben, und darum bitten wir Sie, ihre Stimmungen und Absichten zu sondieren, denn wir haben den Eindruck, dass der Orden in Frankreich wieder mächtig geworden ist, und was in Frankreich geschieht, kann jederzeit auch in Turin geschehen.«
Es stimmte zwar nicht, dass ich noch Kontakt mit den guten Patres hatte, aber viele Dinge über die Jesuiten erfuhr ich aus sicherer Quelle. In jenen Jahren hatte Eugène Sue sein letztes großes Werk publiziert, Die Geheimnisse des Volkes , es war gerade noch rechtzeitg fertig geworden, bevor er im savoyischen Annecy starb – im Exil, denn er war seit langem mit den Sozialisten verbunden und hatte sich unmissverständlich gegen die Machtergreifung und die Proklamation des Kaiserreiches durch Louis Napoleon ausgesprochen. Da wegen der sogenannten loi Riancey keine Fortsetzungsromane in Zeitungen mehr gedruckt wurden, war dieses letzte Werk von Sue in kleinen Bändchen erschienen, die jeder durch die strengen Hände vieler Zensoren gehen mussten, inklusive der piemontesischen, so dass es schwierig gewesen war, sie alle lückenlos zu bekommen. Ich erinnere mich, dass ich mich beim Lesen dann tödlich gelangweilt habe, denn es ging um eine verschlungene Geschichte zweier Familien, einer gallischen und einer fränkischen, von der Frühgeschichte bis zu Napoleon IIII., wobei die Franken die bösen Herrscher sind und die Gallier seit Vercingetorix allesamt Sozialisten, aber Sue war nun einmal, wie alle Idealisten, besessen von einer fixen Idee.
Den letzten Teil des Romans hatte er offensichtlich in denselben Monaten geschrieben, in denen Louis Napoleon die Macht ergriff und Kaiser wurde. Um dessen Projekte als hassenswert darzustellen, hatte Sue eine geniale Idee gehabt: Da der andere große Feind des republikanischen Frankreichs seit den Zeiten der Revolution die Jesuiten waren, brauchte er bloß vorzuführen, wie die Eroberung der Macht durch Louis Napoleon von den Jesuiten inspiriert und dirigiert wurde. Zwar waren die Jesuiten seit der Julirevolution 1830 23 auch aus Frankreich verbannt worden, aber in Wirklichkeit waren sie heimlich im Lande geblieben – und konnten sich beinahe frei bewegen, seit Louis Napoleon seinen Aufstieg zur Macht begonnen hatte und sie tolerierte, um gute Beziehungen zum Papst zu behalten.
So gab es in dem Buch einen langen Brief von Pater Rodin (der schon im Ewigen Juden aufgetreten war) an den General der Jesuiten, Pater Roothaan, in dem das Komplott ausführlichst dargelegt wurde. Die letzten Geschehnisse im Roman ereignen sich während des letzten sozialistischen und republikanischen Widerstands gegen den Staatsstreich, und der Brief war so
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