Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
formuliert, dass die Dinge, die Louis Napoleon dann wirklich getan hatte, noch als Zukunftspläne erschienen. Dass dann später, als die Leser das lasen, all dies bereits geschehen war, machte die Sache noch bestürzender.
    Natürlich musste ich wieder an den Anfang von Dumas’ Joseph Balsamo denken: Es würde genügen, den Donnersberg durch ein irgendwie klerikal wirkendes Ambiente zu ersetzen, vielleicht die Krypta eines alten Klosters, um dort nicht die Freimaurer, sondern die Söhne Loyolas aus der ganzen Welt zusammenkommen zu lassen, es würde genügen, anstelle von Balsamo den Pater Rodin sprechen zu lassen, und schon hätte man das alte Schema der Allgemeinen Weltverschwörung an die Gegenwart angepasst.
    So kam ich auf die Idee, dass ich Bianco nicht bloß ein paar da und dort aufgeschnappte Klatschgeschichten verkaufen könnte, sondern ein ganzes den Jesuiten entwendetes Dokument. Sicher musste ich da und dort etwas ändern, den Pater Rodin eliminieren, den vielleicht jemand als Romanfigur wiedererkennen könnte, und dafür Pater Bergamaschi ins Spiel bringen, von dem ich zwar nicht wusste, wo er sich jetzt befand, aber von dem man in Turin sicherlich hatte reden hören. Außerdem war, als Sue schrieb, der General des Ordens noch Pater Roothaan, während er nun, wie es hieß, durch einen gewissen Pater Bechx ersetzt worden war.
    Das Dokument müsste wie eine fast wörtliche Mitschrift der Rede durch einen glaubwürdigen Informanten aussehen, und der Informant dürfte nicht als Denunziant erscheinen (denn bekanntlich verraten die Jesuiten nie ihre Bruderschaft), sondern eher als ein alter Freund meines Großvaters, dem er diese Dinge als Beweis für die Größe und Unbesiegbarkeit seines Ordens anvertraut hat.
    Gern hätte ich auch die Juden in die Geschichte mit eingebaut, sozusagen als Hommage an Großvater, aber Sue hat nicht von ihnen gesprochen, und es gelang mir nicht, sie mit den Jesuiten zusammenzubringen – außerdem interessierten die Juden damals so gut wie niemanden in Piemont. Den Agenten der Regierung darf man den Kopf nicht mit zu vielen Informationen vollstopfen, sie wollen einfache, klare Ideen, mit Schwarz und Weiß und Gut und Böse, und der Böse darf immer nur einer sein.
    Allerdings wollte ich auch nicht ganz auf die Juden verzichten, und so habe ich sie für den Hintergrund benutzt. Das war immerhin eine Möglichkeit, bei Bianco einen Verdacht gegen sie zu wecken.
    Ich sagte mir, dass eine Lokalisierung in Paris oder gar in Turin leicht überprüft werden könnte. Ich musste also meine Jesuiten an einem Ort versammeln, der auch für die piemontesischen Geheimdienste nicht so leicht zugänglich wäre und von dem sie nur legendäre Nachrichten hätten. Die Jesuiten konnten ja, wie man weiß, überall sein, diese Polypen des Herrn, die ihre Krakenarme sogar nach den protestantischen Ländern ausstrecken.
    Um Dokumente zu fälschen, muss man sich immer genau informieren, deshalb ging ich oft in Bibliotheken. Bibliotheken sind faszinierend: Man meint manchmal gleichsam auf einem Bahnsteig zu stehen, und wenn man in Büchern über exotische Länder blättert, hat man den Eindruck, an ferne Strände zu reisen. So war mir ein Buch in die Hände gefallen, in dem ich schöne Stiche des jüdischen Friedhofs in Prag entdeckte. In diesem heute verlassenen Friedhof gab es fast zwölftausend Grabsteine auf sehr engem Raum, aber es mussten früher noch sehr viel mehr gewesen sein, denn im Lauf der Jahrhunderte waren viele von neuen Erdschichten überdeckt worden. Nachdem der Friedhof verlassen worden war, hatte jemand einige der zugeschütteten Gräber wieder freigelegt mitsamt ihren Steinen, so dass sich eine unregelmäßige Ansammlung von Grabsteinen ergab, die sich in alle Richtungen neigten (oder vielleicht hatten die Juden sie schon so achtlos eingerammt, bar jeden Sinnes für Schönheit und Ordnung, wie sie sind).
    Dieser längst verlassene Ort passte mir gut ins Konzept, auch wegen seiner Ausgefallenheit: Mit welchen Hintergedanken hatten die Jesuiten beschlossen, sich an einem Ort zu versammeln, der den Juden heilig war? Und welche Kontrolle hatten sie über diesen von allen vergessenen und vielleicht unzugänglichen Ort? Lauter unbeantwortbare Fragen, die dem Bericht Glaubwürdigkeit verschaffen würden, denn wie ich Bianco einschätzte, würde er einen Bericht, in dem alles gut erklärbar und wahrscheinlich klingt, mit Sicherheit für gefälscht halten.
    Als guter Dumas-Leser hätte es mir

Weitere Kostenlose Bücher