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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Piemontesen engagiert, wird aber – nach ein paar unbedeutenden örtlichen Siegen – ohne sie zu fragen mit Österreich Frieden schließen und für die Bildung einer italienischen Konföderation unter Vorsitz des Papstes eintreten, zu der auch Österreich mit seinen Hoheitsgebieten auf italienischem Boden gehören soll. So wird Piemont, das einzige Land mit einer liberalen Regierung auf der Apenninenhalbinsel, sowohl Frankreich als auch Rom untergeordnet bleiben und von den französischen Truppen, die Rom besetzt haben, sowie von denen in Savoyen unter Kontrolle gehalten.«
     
    Voilà, dies war das Dokument. Ich wusste nicht, ob der piemontesischen Regierung diese Anklage Napoleons III. als Feind des Königreichs Piemont-Sardinien sehr gefallen würde, aber ich hatte schon intuitiv erkannt, was mir die Erfahrung später bestätigen sollte, nämlich dass es den Angehörigen der Sonderdienste immer genehm ist, ein Dokument zu besitzen, auch auf Vorrat, mit dem man die Angehörigen der Regierung erpressen oder verwirren oder gegeneinander aufbringen könnte.
    Tatsächlich las Bianco den Bericht sehr aufmerksam, hob dann die Augen von den Papieren, sah mir fest ins Gesicht und sagte, das sei Material von höchster Bedeutung. Womit er mir einmal mehr bestätigte, dass ein Spion, wenn er etwas Unerhörtes verkaufen will, nichts anderes tun darf als etwas zu erzählen, was man auf jedem kleinen Markt für gebrauchte Bücher finden könnte.
    Allerdings war Bianco, wenn auch kaum informiert über Literatur, sehr gut über mich informiert, denn er fügte mit hinterhältiger Miene hinzu: »Natürlich ist das alles von Ihnen erfunden.«
    »Ich bitte Sie!« rief ich empört. Aber er hob abwehrend die Hand: »Lassen Sie’s, Avvocato. Selbst wenn dieses Dokument allein Ihr Werk wäre, kommt es mir und meinen Vorgesetzten gelegen, um es der Regierung als echt zu präsentieren. Sie werden wissen, warum es inzwischen urbi et orbi bekannt ist, dass unser Premierminister Cavour überzeugt war, Napoleon IIII. in der Hand zu haben, nämlich weil er ihm die Contessa Castiglione ans Herz gelegt hatte, eine schöne Frau, das ist nicht zu leugnen, und der Franzose hat sich auch nicht lange bitten lassen, ihre Reize zu genießen. Aber dann hat sich herausgestellt, dass Napoleon keineswegs alles tat, was Cavour wollte, und die Contessa Castiglione hatte ihre Göttergabe für nichts verschwendet, vielleicht hatte sie Gefallen daran gefunden, aber wir können die Staatsangelegenheiten nicht von den Launen einer leichtlebigen Dame abhängig machen. Es ist sehr wichtig, dass Seine Majestät unser König dem Bonaparte misstraut. Binnen kurzem, das ist schon voraussehbar, werden Garibaldi oder Mazzini oder beide zusammen eine Expedition ins Königreich Neapel organisieren. Sollte diese Unternehmung zufällig erfolgreich verlaufen, wird Piemont intervenieren müssen, um jene Länder nicht in der Hand von verrückt gewordenen Republikanern zu lassen, und um das zu tun, wird unser Heer beim Marsch den Stiefel hinunter durch den Kirchenstaat müssen. Daher wird es zur Erreichung dieses Ziels unerlässlich sein, unseren Souverän so zu konditionieren, dass er Misstrauen und Groll gegen den Papst hegt und nicht viel auf die Empfehlungen Napoleons III. gibt. Wie Sie verstanden haben werden, caro Avvocato, wird die Politik häufig von uns allerdemütigsten Dienern des Staates gemacht, mehr als von denen, die in den Augen des Volkes regieren…«
     
    Dieser Bericht war meine erste wirklich ernsthafte Arbeit, bei der ich nicht bloß ein Testament für irgendeinen Privatmann fabrizierte, sondern einen komplexen politischen Text erstellte, mit dem ich vielleicht zur Politik des Königreiches Piemont-Sardinien beigetragen habe. Ich weiß noch, dass ich richtig stolz darauf war.
     
    Unterdessen war das schicksalhafte Jahr 1860 28 gekommen. Schicksalhaft für das Land, noch nicht für mich, der ich mich damit begnügte, die Ereignisse aus der Distanz zu verfolgen, indem ich den Reden der Müßiggänger in den Cafés zuhörte. Ich spürte, dass ich mich immer mehr mit politischen Dingen würde beschäftigen müssen, und sagte mir, dass die begehrenswertesten Nachrichten, die es zu fabrizieren galt, nicht die sein würden, die von den Zeitungsleuten als gesichert verbreitet wurden, sondern diejenigen, die sich die Müßiggänger in den Cafés erhofften.
    So erfuhr ich, dass die Bevölkerungen des Großherzogtums Toskana, des Herzogtums Modena und des Herzogtums

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