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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Simonini im stillen, dieser Bonaparte ist der Richtige für unsere Zeit, er hat begriffen, wie man ein Volk im Zaum halten kann, das sich vor siebzig Jahren an der Idee berauschte, einem König den Kopf abschlagen zu können. Lagrange mag ruhig glauben, dass Joly irgendwelche Einflüsterer gehabt hatte, aber es ist klar, dass er bloß die Fakten analysiert hat, die vor aller Augen liegen, so dass er die nächsten Schritte des Diktators voraussehen konnte. Mich würde eher interessieren, wer oder was tatsächlich sein Vorbild war.
    So machte Simonini eine verschleierte Anspielung auf Eugène Sue und den Brief von Pater Rodin, und sofort begann Joly zu lächeln, ja fast zu erröten, und sagte, seine Idee, die schändlichen Pläne Napoleons zu schildern, sei ihm bei der Lektüre von Sue gekommen, nur sei es ihm dann sinnvoll erschienen, die jesuitische Inspiration auf den klassischen Machiavellismus zurückzuführen.
    »Als ich diese Seiten von Sue las, schien mir, ich hätte den Schlüssel gefunden, um ein Buch zu schreiben, das dieses Land erschüttern würde. Was für eine Narretei! Bücher werden konfisziert, verbrannt, und für den Autor bleibt alles beim alten, als hätte er nichts getan – ich dachte damals nicht daran, dass Sue für weniger deutliche Worte ins Exil gehen musste.«
    Simonini fühlte sich, als wäre ihm etwas genommen worden, das ihm gehörte. Zwar hatte auch er seine Rede von Sue abgeschrieben, aber das wusste ja niemand, und er behielt sich vor, sein Allgemeines Komplottmodell noch für andere Zwecke zu gebrauchen. Und jetzt nahm Joly es ihm weg und machte es sozusagen gemeinfrei, so dass es allen zugänglich war.
    Dann aber beruhigte er sich wieder. Jolys Buch war beschlagnahmt worden, und er besaß eines der letzten noch vorhandenen Exemplare, Joly würde für ein paar Jahre ins Gefängnis müssen, und selbst wenn Simonini seinen Text von A bis Z abgeschrieben und das Komplott, nur zum Beispiel, dem Grafen Cavour oder der preußischen Regierung zugeschrieben hätte, würde es niemand bemerken, nicht einmal Lagrange, dem das neue Dokument höchstens ein bisschen glaubwürdiger erschiene. Die Geheimdienste aller Länder glauben nur das, was sie schon einmal irgendwo gehört haben, und weisen jede wirklich unerhörte Nachricht als unglaubwürdig zurück. Also Ruhe bewahren, sagte sich Simonini, er befand sich in der bequemen Lage, zu wissen, was Joly gesagt hatte, ohne dass sonst irgendjemand es wusste. Abgesehen von diesem Lacroix, den Lagrange genannt hatte, dem einzigen, der den Mut gehabt hatte, den ganzen Dialog in der Hölle zwischen Machiavelli und Montesqieu zu lesen. Es genügte also, Lacroix auszuschalten, und der Fall wäre erledigt.
    Unterdessen war der Moment gekommen, da Simonini das Gefängnis verlassen konnte. Er verabschiedete sich mit brüderlicher Herzlichkeit von Joly, der sehr gerührt war und seinen Abschiedsworten hinzufügte: »Vielleicht können Sie mir einen Dienst erweisen. Ich habe einen Freund, einen gewissen Guédon, der vielleicht nicht weiß, wo ich bin, mir aber hin und wieder einen Korb mit etwas Essbarem schicken könnte. Von diesen scheußlichen Suppen hier kriegt man ja Sodbrennen und Ruhr.«
    Er sagte Simonini, dass er diesen Guédon in einer Buchhandlung an der Rue de Beaune treffen könne, bei Mademoiselle Beuque, wo sich die Fourieristen trafen. Soweit Simonini wusste, waren die Fourieristen eine Art Sozialisten, die eine allgemeine Reform des Menschengeschlechts anstrebten, aber nicht von Revolution sprachen und darum sowohl von den Kommunisten als auch von den Konservativen verachtet wurden. Aber wie es schien, war diese Buchhandlung der Mademoiselle Beuque zu einer Art Freihafen für alle Republikaner geworden, die in Opposition zum Kaiserreich standen und sich dort unbehelligt trafen, weil die Polizei nicht glaubte, dass Fourieristen auch nur einer Fliege etwas zuleide tun könnten.
    Kaum aus dem Gefängnis entlassen, beeilte sich Simonini, Lagrange Bericht zu erstatten. Ihm lag nichts daran, Joly anzuschwärzen, im Grunde tat ihm dieser Don Quijote fast leid, und so sagte er:
    »Monsieur de Lagrange, unser Mann ist bloß ein naiver Literat, der sich wichtig machen wollte, was ihm dann schlecht bekommen ist. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass er gar nicht daran gedacht hätte, sein Buch zu schreiben, wenn er nicht von jemandem aus Ihren Kreisen dazu angestiftet worden wäre. Und es tut mir leid, das sagen zu müssen, aber seine Quelle ist genau

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