Die historischen Romane
Tische, an denen pfeiferauchende Kartenspieler saßen, dazwischen Mädchen mit zu früh faltig gewordenen Gesichtern und blassem Teint, die aussahen wie Puppen für arme Kinder und nichts anderes taten, als Ausschau nach Gästen mit einem noch nicht ganz leeren Glas zu halten, die sie um einen Schluck anbetteln konnten.
An dem Abend, als Simonini dieses Lokal betrat, herrschte dort große Aufregung: Jemand im Viertel hatte jemand anderen mit einem Messer niedergestochen, und es war, als hätte der Blutgeruch alle nervös gemacht. Ein plötzlich Wildgewordener hatte eines der Mädchen mit einem Schustermesser verletzt, hatte die Wirtin, als sie dazwischenging, zu Boden gestreckt, hatte wild um sich geschlagen, als man ihn zu bändigen versuchte, und konnte erst von einem Kellner überwältigt werden, der ihm eine Karaffe auf den Hinterkopf schlug. Danach hatten sich alle wieder hingesetzt und weitergemacht, was sie vorher gemacht hatten, als ob nichts gewesen wäre.
Simonini fand Gaviali an einem Tisch mit Kameraden, die seine Königsmörder-Ideen zu teilen schienen, die meisten italienische Emigranten und fast alle Experten im Bombenbasteln oder von diesem Thema Besessene. Als die Runde ein bestimmtes Maß Alkohol intus hatte, fing sie an, sich über die Fehler der großen Attentäter der Vergangenheit auszulassen: Die Höllenmaschine, mit der Cadoudal 1803 den ersten Napoleon umzubringen versucht hatte, als der noch Erster Konsul war, bestand aus einer Mischung von Salpeter und Eisenschrott, die vielleicht in den engen Gassen der alten Hauptstadt funktionierte, aber heutzutage völlig unwirksam wäre (und es offen gesagt auch damals war). Und Fieschi hatte, um König Louis-Philippe zu ermorden, 1835 eine Maschine mit achtzehn Rohren gebastelt, die alle gleichzeitig schossen, und hatte achtzehn Personen mit ihr getötet, nur nicht den König.
»Das Problem«, sagte Gaviali, »ist die Zusammensetzung des Sprengstoffs. Nimm das Kaliumchlorat: Man hat versucht, es mit Schwefel und Kohlenstoff zu mischen, um ein Schießpulver zu erhalten, aber das einzige Ergebnis war, dass die Werkstatt in die Luft flog, die sie für die Produktion gebaut hatten. Dann kam man darauf, es wenigstens für die Streichhölzer zu benutzen, aber dazu musste man einen Streichholzkopf aus Chlorat und Kupfersulfat in Schwefelsäure baden. Schöne Schweinerei. Bis dann vor über dreißig Jahren in Deutschland die Phosphorstreichhölzer erfunden wurden, die sich durch Reibung entzünden.«
»Ganz zu schweigen«, sagte ein anderer, »von der Pikrinsäure. Man hatte bemerkt, dass sie explodierte, wenn man sie im Kontakt mit Kaliumchlorat erhitzte, und das hatte zu einer ganzen Reihe von Pulvern geführt, die eines explosiver als das andere waren. Mehrere Forscher waren dabei gestorben, und so hat man die Idee aufgegeben. Man verlegte sich lieber auf die Nitrozellulose…«
»Stellt euch vor!«
»Man sollte auf die Alchimisten von einst hören. Die hatten entdeckt, dass eine Mischung aus Salpetersäure und Terpentinöl sich nach einer Weile von selbst entzündet. Vor hundert Jahren hat man entdeckt, dass wenn man der Salpetersäure Schwefelsäure beimischt, die das Wasser absobiert, dann kommt es fast immer zur Entzündung.«
»Ich würde das Xylidin ernster nehmen. Wenn man Salpetersäure mit Stärke oder Holzfasern kombiniert…«
»Du hast wohl gerade den Roman von diesem Verne gelesen, der Xylidin benutzt, um ein Raumschiff zum Mond zu schießen. Heute spricht man eher von Nitrobenzol und Nitronaphtalin. Oder wenn du Papier und Karton mit Salpetersäure behandelst, erhältst du Nitramidin oder Nitrozellulose, das ist ähnlich wie Xylidin.«
»Das sind alles instabile Produkte. Heute nimmt man höchstens noch die Schießbaumwolle ernst, die bei gleichem Gewicht sechsmal so explosiv wie das Schwarzpulver ist.«
»Aber das Ergebnis ist schwankend.«
So diskutierten sie stundenlang, wobei sie immer wieder auf die Tugenden des guten alten Schwarzpulvers zurückkamen, und Simonini musste an seine sizilianischen Gespräche mit Meister Ninuzzo denken.
Es fiel ihm nicht schwer, nachdem er einige Krüge Wein spendiert hatte, den Hass dieser Runde auf Napoleon IIII. zu lenken, der sich dem unmittelbar bevorstehenden savoyischen Einmarsch in Rom vermutlich widersetzen würde. Die Sache der Einheit Italiens verlangte den Tod des Diktators. Dabei war Simonini durchaus klar, dass diese weinseligen Schwärmer nur ein begrenztes
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