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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Persönlichkeiten wie die Brüder Goncourt, Pierre Loti, Émile Zola, Frédéric Mistral und eben Drumont, der nach der Publikation seines Buches über das »Jüdische Frankreich« berühmt zu werden begann. Seitdem und auch in den folgenden Jahren ließ Simonini sich oft bei ihm blicken, erst in der Ligue Antisémite , die Drumont gegründet hatte, und dann in der Redaktion seiner Zeitung La Libre Parole .
     
     
     
    Drumont hatte eine Löwenmähne und einen langen schwarzen Bart, eine Hakennase und funkelnde Augen, so dass man meinen könnte (jedenfalls nach der damals üblichen Ikonographie), er wäre ein jüdischer Prophet; und tatsächlich hatte sein Antijudaismus etwas Prophetisches, etwas Messianisches an sich, als hätte der Allmächtige ihm den speziellen Auftrag erteilt, das auserwählte Volk zu vernichten. Simonini war fasziniert von Drumonts antijüdischem Ressentiment. Er hasste die Juden sozusagen aus Liebe, aus freier Wahl, aus Hingabe – aufgrund eines Triebes, der ihm den Sexualtrieb ersetzte. Drumont war kein philosophischer oder politischer Antisemit wie Toussenel, auch kein theologischer wie Gougenot, er war ein erotischer Antisemit.
    Es genügte, ihn reden zu hören, zum Beispiel in den lange sich hinziehenden Redaktionssitzungen.
    »Ich habe gerne das Vorwort zu diesem Buch des Abbé Desportes geschrieben, über das Mysterium des Blutes bei den Juden. Dabei handelt es sich nicht bloß um mittelalterliche Praktiken. Noch heute mischen die schönen jüdischen Baronessen, wenn sie Salon halten, Blut von Christenkindern in die Plätzchen, die sie ihren Gästen anbieten.«
    Oder auch: »Der Semit ist geschäftstüchtig, gierig, intrigant, schlau und gerissen, während wir Arier enthusiastisch, heroisch, ritterlich, uneigennützig, freimütig und vertrauensvoll bis zur Naivität sind. Der Semit ist irdisch, er sieht nichts, was über das gegenwärtige Leben hinausgeht, haben Sie je in der Bibel Hinweise auf ein Jenseits gefunden? Der Arier ist stets voller Leidenschaft für die Transzendenz, er ist ein Kind des Ideals. Der christliche Gott wohnt hoch droben im Himmel, der jüdische Gott erscheint manchmal auf einem Berg, manchmal in einem brennenden Dornbusch, aber nie weiter oben. Der Semit ist Händler, der Arier ist Landwirt, Dichter, Mönch und vor allem Soldat, denn er hat keine Angst vor dem Tod. Dem Semiten fehlt die schöpferische Fähigkeit, haben sie jemals jüdische Musiker, Maler, Dichter gesehen, haben sie je einen Juden gesehen, der wissenschaftliche Entdeckungen gemacht hat? Der Arier ist Erfinder, der Semit beutet die Erfindungen aus.«
    Drumont zitierte auch gern, was Wagner geschrieben hatte: »Wir können uns auf der Bühne keinen antiken oder modernen Charakter, sei es ein Held oder ein Liebender, von einem Juden dargestellt denken, ohne unwillkürlich das bis zur Lächerlichkeit Ungeeignete einer solchen Vorstellung zu empfinden… Im Besonderen widert uns nun aber die rein sinnliche Kundgebung der jüdischen Sprache an… Als durchaus fremdartig und unangenehm fällt unsrem Ohre zunächst ein zischender, schrillender, summsender und murksender Lautausdruck der jüdischen Sprechweise auf… Sehr natürlich gerät im Gesange , als dem lebhaftesten und unwiderleglich wahrsten Ausdrucke des persönlichen Empfindungswesens, die für uns widerliche Besonderheit der jüdischen Natur auf ihre Spitze, und auf jedem Gebiete der Kunst, nur nicht auf demjenigen, dessen Grundlage der Gesang ist, sollten wir, einer natürlichen Annahme gemäß, den Juden je für kunstbefähigt halten dürfen.«
    »Aber wie kommt es dann«, fragte jemand, »dass die Juden das Musiktheater erobert haben? Rossini, Meyerbeer, Mendelssohn, auch die Giuditta Pasta: alles Juden…«
    »Vielleicht weil es gar nicht stimmt, dass die Musik eine höhere Kunst ist«, meinte ein anderer. »Hat nicht dieser deutsche Philosoph geschrieben, dass sie niedriger steht als die Malerei und die Literatur, weil sie auch den stört, der sie nicht hören will? Wenn jemand in deiner Nähe eine Musik spielt, die du nicht magst, bist du gezwungen, sie zu hören, so als ziehe jemand ein Schnupftuch hervor, das mit einem Duft parfümiert ist, den du nicht magst. Arischer Ruhm ist die Literatur, die sich jetzt in der Krise befindet. Die Musik dagegen, eine sinnliche Kunst für Verweichlichte und Kranke, triumphiert. Nach dem Krokodil ist der Jude das melomanischste aller Tiere, alle Juden sind Musiker. Pianisten, Geiger, Cellisten, alles

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